Jan Winkler im Interview: "Man drückt uns immer noch den Geldstempel auf!" - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 08.06.2022 um 07:00 Uhr
Jan Winkler im Interview: "Man drückt uns immer noch den Geldstempel auf!"
INTERVIEW In der B-Klasse war der einstige Landesliga-Dino TSV Neustadt/Aisch zwischenzeitlich gelandet. Nach dem zweiten Aufstieg in Folge wird an der Weißen Marter ab der kommenden Saison zumindest in der Kreisklasse gespielt. Abteilungsleiter Jan Winkler macht im fussballn.de-Interview der Woche die Zeitreise vom schwärzesten Tag der Neustädter Fußballgeschichte bis zum Blick in die Zukunft.
Von Marco Galuska
Jan Winkler nach der Meisterschaft seiner Neustädter samt Aufstieg in die Kreisklasse.
fussballn.de / Oßwald
Hallo Jan, der Fußball ist bekanntlich schnelllebig. Quizfrage: Was passierte in dieser Woche vor sechs Jahren beim TSV Neustadt/Aisch?

Jan Winkler (34):
Da brauche ich nicht lange überlegen: Das war die Abmeldung aus der Landesliga. Der schwärzeste Tag, den die Fußballer im Verein hatten! Ich selbst war da zwar schon nicht mehr im Verein tätig, habe es aber natürlich ziemlich genau mitgekriegt. Der damalige Vorstand hat in der Landesliga nur die Kosten gesehen, dabei hätte man eine eingeschworene Mannschaft gehabt, die sogar ohne Geld gespielt hätte. Mit einer beispiellosen Arroganz ist das damals bergab gegangen.

Statt Landesliga ging es vorerst in der Kreisklasse weiter. Gehen wir die Zeitreise um drei Jahre weiter...

Winkler:
Da kam dann nach dem Abstieg aus der Kreisklasse die freiwillige Abmeldung aus der A-Klasse. Die Vorstandschaft hat sich damals von der Mannschaft erpressen lassen, die in die Nürnberger A-Klasse eingeteilt worden wäre, aber lieber kürzere Fahrten in der B-Klasse haben wollte. Zudem muss man sagen, dass schon als SG gespielt wurde und der TSV selbst nur noch eine einstellige Anzahl an Fußballern hatte.

Seit dem Tiefpunkt 2019 geht es aber wieder bergauf. Fass uns bitte die Chronik der Neustädter Fußballer aus den letzten drei Jahren zusammen!

Winkler:
Generell war die Entwicklung schon erfreulich, wenngleich auch ein wenig kurios. Die SG stand im Winter 2019/20 in der B-Klasse auf Platz 1 vor Diespeck, war aber mehr als Spaßtruppe organisiert, die eigentlich kaum mehr trainiert hatte. Trainer Johannes Weisbach, mit dem ich in Gutenstetten gespielt habe, hat dann unsere Rückkehr angeleiert.

Was ist unter "unsere Rückkehr" zu verstehen?

Winkler:
Es gab Pläne aus unserem alten Neustädter Freundeskreis um Sven Kraft, Tom Guter, Fabian Schubert oder Jonas Wellhöfer - um nur ein paar zu nennen - einen eigenen Fußballverein zu gründen, den Neustädter FC. Wir wollten eben das ganze Theater nicht mehr haben. Dass wir zum TSV zurückkehren würden, war ursprünglich keine Option, auch wenn die halbe Familie von mir damals dort gespielt hat.

Im Februar 2020 kehrten Jan Winkler (links) und Sven Kraft zum TSV Neustadt/Aisch zurück und übernahmen die vakante Leitung der Fußballer.
fussballn.de

Unmittelbar vor Corona im Februar 2020 hast Du mit Sven Kraft die Fußball-Abteilungsleitung beim TSV übernommen.

Winkler:
Von unseren Plänen bekamen ja auch andere in der Stadt mit. Wir haben uns schließlich an einen Tisch gesetzt, gemeinsam mit TSV und FSC Franken, und waren uns über die Zukunftspläne einig.

Nach dem Aufstieg im Zuge der Abbruchsaison im Vorjahr gab es nun die Meisterschaft in der A-Klasse 5. Ist die Rückkehr in die Kreisklasse aus Neustädter Sicht eine Liga für die Zukunft?

Winkler:
Einerseits sind wir eine Stadt mit 11.000 Einwohnern und brutaler Fußball-Tradition, andererseits braucht man ohne Geld schon gute Jahrgänge, die das im Verein mittragen. Man muss nach außen "sexy" sein, damit sich Spieler von woanders hierher verlaufen. Da führt man gefühlt 50 Gespräche für einen Spieler. Die Zeiten ändern sich. An der Liga will ich es nicht festmachen, das wäre der falsche Weg.

Wie schaut das sportliche Ziel nach dem Aufstieg aus?

Winkler:
 Ich traue uns eine gute Rolle in der Kreisklasse zu! Grundsätzlich halte ich es aber mit unserem früheren Trainer Patrick Frühwald: 40 Punkte holen und dann von Woche zu Woche schauen. Ich gehe davon aus, dass wir in der Kreisklasse 3 spielen werden, da gäbe es schon einige interessante Duelle, auf die wir uns freuen würden. Natürlich auch auf das Derby gegen Gutenstetten II.

Meisterfeier an der Weißen Marter: Der Durchmarsch in die Kreisklasse ist geschafft.
fussballn.de / Oßwald

Welche personellen Veränderungen sind vorgesehen?

Winkler:
Fabian Schubert wird kürzertreten, ansonsten gibt es derzeit keine Zu- oder Abgänge. Die Truppe bleibt zusammen. Allerdings würden uns vier, fünf Neuzugänge auch in der Breite gut tun, da sind wir noch dran.

Wie geht es mit dem "TSV Franken Neustadt/Aisch" weiter, nachdem die Verschmelzung mit dem FSC Franken Neustadt geplatzt ist?

Winkler:
Die Mitglieder des FSC Franken Neustadt/Aisch werden zum 30.6. austreten und dem TSV Neustadt/Aisch beitreten. Dazu brauchen wir dann keine Zustimmung anderer Abteilungen im Verein. Wir bekommen 200 neue Mitglieder, sämtliche Jugendmannschaften sind besetzt. So lange der Verband es uns erlaubt, werden wir auch weiterhin als "TSV Franken Neustadt/Aisch" auflaufen. Der TSV muss sich vom Grundsatz her aber entscheiden, ob man für die Zukunft eine starke Fußball-Abteilung haben möchte.

Auch das Thema Infrastruktur ist an der Weißen Marter nicht unproblematisch.

Winkler:
Der A-Platz ist in einem guten Zustand dank der Arbeit von Klaus und Stefan Becke, die viel Zeit dafür opfern. Allerdings müssen wir die Kapazitäten mit den Footballern teilen. Die Belastung für das Sportgelände ist insgesamt zu groß. Der Sandplatz ist dringend renovierungsbedürftig, da hat sich seit 20 Jahren praktisch nichts getan. Im Sommer geht das mit dem Training auf dem Rasen, aber ohne Flutlicht haben wir derzeit keine echte Lösung. Wir brauchen die Unterstützung der Stadt, wenn wir nicht ins Umland ausweichen wollen.

Welche Bedeutung hat der Fußball aktuell in Neustadt?

Winkler:
Wir merken natürlich, dass wir wieder mehr wahr genommen werden -allerdings auch immer noch mit dem Geldstempel von früher versehen. Wenn jemand unseren Kontostand sehen würde, hätte er Tränen in den Augen. Ich bin aber müde, mich dazu immer wieder neu zu erklären, auch wenn da andere Geschichten im Umland umhergehen. Die Vergangenheit haben wir selbst im Kopf, natürlich tragen wir die Verantwortung dafür, dass man die Zukunft anders gestaltet. Die Zeiten haben sich gewaltig geändert.

Vor einigen Jahren gab es noch die Duelle mit der SpVgg Ansbach. Ist der Erfolg der Nullneuner auch ein wenig mit dem Fehlen des TSV Neustadt/Aisch als Konkurrenten in der Region begründet?

Winkler:
Zunächst einmal bleibt für mich die SpVgg Ansbach weiterhin mit dem Festus (Harald Riegler, Anm. der Red.) verbunden, der dort immer noch dafür sorgt, dass da lauter Zahnräder perfekt ineinandergreifen. Mit Christoph Hasselmeier auf dem Trainerposten und so vielen Spielern mit Vereinsverbundenheit ist das eine mehr als nur glückliche Fügung. Für mich ist das eine Jahrhundert-Mannschaft mit Charakter, die der Verein da hat. Ich finde es geil, dass man in der Region Regionalliga-Fußball sehen kann! Allerdings ist ein Vergleich auch mit dem früheren TSV Neustadt/Aisch - auch wenn wir damals Ansbach bei uns zu Hause 4:0 geschlagen haben - nicht angebracht. So ein Schritt wäre hier nicht möglich gewesen. Mit der finanziellen Unterstützung von Emil Gressel und Peter Ullrich wäre die Bayernliga das Höchste der Gefühle gewesen. Ansbach hat da ganz andere Ressourcen mit ihrer Jugendarbeit. Dass Neustadt kein Konkurrent mehr ist, würde ich aber nicht als Erfolgsgrund der Ansbacher sehen. Da ist ein Finanzklub zwar weggebrochen, andere sind dafür entstanden, aber die machen das eben nicht sonderlich clever.

Apropos hochklassiger Fußball. Wie ist es um die Wiederbelebung des Budenzaubers beim Neustädter Meinl-Cup bestellt?

Winkler:
Wir hatten das Turnier zweimal geplant, mussten zweimal wegen Corona canceln. Wir würden so ein Event gerne wieder veranstalten, aktuell wird aber die Markgrafenhalle renoviert. Zudem weiß man nicht, wie die Situation im Herbst ist. Da hätten aktuell zehn Leute wohl zehn verschiedene Meinungen. Wir wollen das Turnier in Zukunft aber schon wieder etablieren, auch wenn es nicht mehr so leicht ist, höherklassige Vereine für die Halle zu finden.

Beim Meinl-Cup wurde noch klassischer Budenzauber präsentiert. Die Neuauflage scheiterte in den vergangenen beiden Jahren pandemiebedingt.
Sebastian Baumann

Dann gehen wir doch die Zeitreise in die Zukunft auf dem Rasen weiter: Wo steht der Fußball beim TSV Franken Neustadt/Aisch in drei Jahren?

Winkler:
Ich würde mir wünschen, dass wir dann schönen Fußball in der Kreisliga anbieten können, die Integration der neuen Mitglieder funktioniert hat, wir keine Nachwuchsprobleme haben und am Sportgelände etwas erreicht haben.

...und eine Prognose drei weitere Jahre hinaus?

Winkler:
 So ein Zeitraum lässt sich im Fußball nicht planen. Da braucht es immer auch ein Quäntchen Glück. Man braucht vor allem Spieler, die Bock auf den Verein haben. Die Zeiten haben sich ja grundsätzlich schon verändert, da werden andere Dinge immer wichtiger. Diejenigen, die auf dem Sportplatz aufgewachsen sind, so wie ich es selbst erlebt habe, werden halt weniger.

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Steckbrief J. Winkler

Jan Winkler
Spitzname
Janny, Hoffy
Alter
37
Geburtsort
Neustadt/Aisch
Wohnort
Neustadt/Aisch
Familie
verheiratet, 1 Kind
Nation
Deutschland
Größe
189 cm
Gewicht
92 kg
Beruf
Verkaufsleiter
Hobbies
Fußball, Golf, Dorfrocker (Lebenseinstellung ;))
Starker Fuß
Linksfuß
Lieb.-Position
Torwart
Stationen in der Jugend
ASV Wilhelmsdorf
DTV Diespeck
1. FC Herzogenaurach

Stationen bei den Senioren
SV Gutenstetten
SpVgg Heßdorf
TSV Neustadt/Aisch
TSV Markt Nordheim


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