Die sogenannte „ischiokrurale“ Muskulatur heißt deswegen so,
weil sie sich vom Sitzbein des Beckenknochens (lateinisch „Os ischium“) über
Hüft- und Kniegelenk hinweg bis zum Unterschenkel (lateinisch „crus“)
erstreckt. Diese auch als „Hamstrings“ bezeichnete Muskelgruppe besteht an sich
aus drei Muskeln (M. biceps femoris, M. semitendinosus und M. semimembranosus),
die am Becken mit einer gemeinsamen starken Sehne ansetzen – die Fläche des
Sehnenursprungs wird mit 2,7 ×1,8 cm angegeben.
Wichtige Funktion beim Laufen, aber auch Verletzungsanfälligkeit
Durch das Überspannen zweier Gelenke haben die Hamstrings
eine interessante Funktion: Im Hüftgelenk führen sie zur Streckung, während sie
gleichzeitig im Kniegelenk eine Beugung verursachen. Umgekehrt gesehen kommen
Hamstrings unter Spannung, wenn gleichzeitig die Hüfte gebeugt und das Knie
gestreckt wird: Es handelt sich genau um die Muskeln, die bei vielen von uns zu
unangenehm ziehen, wenn wir uns im Langsitz dehnen oder im Liegen das
gestreckte Bein hochheben. Eine weitere Besonderheit ist die Fähigkeit zur
kontrollierten Dehnung unter Muskelanspannung („exzentrische Kontraktion“). Durch diese ganz besondere Konstruktion haben
die Hamstrings eine wichtige Funktion beim Laufen.
Leider ergibt sich dadurch aber auch eine gewisse
Verletzungsanfälligkeit: Eine plötzliche Dehnung der Hamstrings bei
gleichzeitiger Kontraktion kann zur Ruptur führen, wobei es sich dabei meist um
einen Abriss der Sehne vom Beckenknochen handelt. Es kommt dann oftmals zu
deutlicher Schwellung und Bluterguss; die Schmerzen sind aber unterschiedlich
stark ausgeprägt, und die meisten Patienten können spätestens nach einigen
wenigen Tagen wieder recht gut laufen.
Die Diagnostik ist nicht ganz leicht; neben der klinischen
Untersuchung kommt auch die Sonografie infrage. Ein sicherer Nachweis oder
Ausschluss eines Hamstring-Abrisses gelingt oftmals nur mittels MRT. Daher wird
die Verletzung auch leicht übersehen bzw. als „Muskelfaserriss“ fehlgedeutet.
Was tun beim Sehnenabriss?
Man kann – je frühzeitiger, desto besser – die abgerissene
Sehne über einen Schnitt in der Glutealfalte (Übergang Pobacke zum Bein) wieder
an der Ausrisstelle am Beckenknochen fixieren, wo diese dann auch wieder
anwächst. Ob dieser Eingriff sinnvoll ist, hängt von Beschwerden und
Leistungsanspruch des Patienten ab. Wenn es sich nur um eine Teilruptur handelt
oder die Sehne kaum zurückgezogen ist, wird eine Behandlung ohne Operation
meist sinnvoller sein.
In den letzten Jahren hat sich aber herausgestellt, dass ein
nicht geheilter Hamstring-Abriss schon zu Dauerproblemen führen kann, etwa zu
Muskelschwäche und Muskelkrämpfen sowie teils beträchtlichen Funktionsstörungen
beim Laufen insbesondere bergauf und bergab. Deswegen sind es in den letzten
Jahren durchaus nicht nur junge Patienten, die sich wegen eines
Hamstringabrisses operieren lassen.
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