SG Quelle Fürth 1996/97, Teil III: Die Derbys mit Club und Kleeblatt
Nachdem wir in Teil I die Relegation zur Regionalliga im Sommer 1996 behandelt hatten und in Teil II der Saisonverlauf beschrieben war, geht es in Teil III um die vier Derby-Partien gegen den 1. FC Nürnberg und die SpVgg Greuther Fürth.
Die Reaktionen unmittelbar nach dem überraschenden Aufstieg der SG Quelle Fürth zielten freilich allesamt auf die Derbys mit den großen Namen vor der Haustür. "Ich bin stolz und freue mich, dass es die Quelle geschafft hat - mit zwei Mannschaften in der dritten Liga ist Fürth jetzt die Fußball-Hochburg in Mittelfranken", frohlockte Günter Brand, zweiter Bürgermeister und Sportreferent der Kleeblattstadt. Club-Präsident Michael A. Roth freute sich über "ein Derby mehr, das uns sicher mehr Zuschauer beschert als ein Spiel gegen die VfB-Amateure." FCN-Coach Willi Entenmann gab sich über den Quelle-Sieg gegen sein ehemaliges Stuttgarter Team überrascht: "Ich bin echt erstaunt, dass es die gestandenen Herren der Fürther gegen meine frühere, jüngere Truppe geschafft haben. Vor allem nach dem schweren Relegationsspiel gegen Aschaffenburg hätte ich es ihnen nicht zugetraut. Meine Anerkennung. Dass Quelle eine echte Gefahr für den Club ist, glaube ich nicht, aber ein weiteres Derby hat doch seine eigenen Gesetze. Einfacher wird es für uns auf keinen Fall." Aus dem Ronhof sendete SpVgg-Präsident Edgar Burkart wenig euphorische Grußbotschaften: "Gratulation. Eine Konkurrenz ist die Quelle für mich aber nicht, weder sportlich noch als Zuschauermagnet. Von den 100 Zuschauern in Dambach waren die meisten Kleeblattfans, die auch in den Ronhof gekommen sind. Ein Fürther Derby wird wohl kaum so viele Besucher anlocken, wie die Spiele gegen den Club."
Mit Scham gegen die Feierabendkicker
Hellseherische Fähigkeiten lagen in der Prognose von Kleeblatt-Boss Edgar Burkart freilich nicht, lieferten sich die Erzrivalen aus den Nachbarstädten einen Kampf um die Meisterschaft und schafften am Ende gemeinsam - der Club hatte als Meister den Vortritt - den Sprung zurück in den bezahlten Fußball. Da waren die Spiele für die Titelanwärter gegen die SG Quelle Fürth jeweils nur das kleine Derby, das man wohl auch mit einer Portion Scham absolvierte, sah man den emporgekommenen Amateurclub eigentlich nicht auf Augenhöhe und gerade für den Club durfte es eine gewisse Demütigung und mittelfränkische Fußball-Majestätsbeleidigung gewesen sein, gegen die Feierabendkicker aus Dambach sich um Punkte streiten zu müssen.
Des einen Pein war des anderen Freud und so fanden am 26. September 1996 zum Auftakt der Fürther Kärwa nach Dambach, wo die Quelle ihr erstes Derby gegen den großen Bruder aus der Kleeblattstadt absolvieren durfte. Beide Vereine konnten unmittelbar davor einen Neuzugang präsentieren: Martin Przondziono wechselte vom 1. FC Nürnberg zur Quelle, Godfried Aduobe kam von den Young Boys Bern in den Ronhof. Weder Kleeblatt-Coach Armin Veh ("Für mich ist es ein Spiel wie jedes andere") noch Dieter Lieberwirth ("Es geht um drei Punkte") hauten vor dem Derby auf die Pauke. Die Favoritenrolle lag klar beim Tabellenführer vom Ronhof, der dem Elften in Dambach "unter normalen Bedingungen keine Chance" lassen würde, wie Lieberwirth feststellte. Kleeblatt-Urgestein Edgar Burkart erinnerte voller Harmonie an die gemeinsame Vergangenheit, als sich die Fußballer des TV 1860 Fürth ausgliederten und zur SpVgg Fürth wurden, während die SG Quelle sich im Verein des TV 1860 über Jahre etablieren musste.
Besonders heiß waren natürlich einige Akteure, die einst auf der anderen Seite kickten. Doch nahezu alle Erwartungen trafen ein. Die prognostizierten 3500 Zuschauer kamen an die Coubertinstraße und wie schon zu gemeinsamen Landesliga-Zeiten (1989-1991) behielt das Kleeblatt die Oberhand, siegte mit 4:1, wobei Frank Türr mit drei Treffern (10., 54., 82.) zum Matchwinner avancierte. Harald Ebner, der für den verletzten Aduobe noch vor der Pause ins Spiel kam, steuerte den vierten Treffer (68.) der SpVgg bei. Markus Thiem gelang zwischenzeitlich die Resultatsverbesserung (76.) für die Quelle, welche lange Zeit mit (zu) großem Respekt agiert hatte.
Heimspiel ins große Frankenstadion verlegt
"Die Niederlage wirft uns nicht um", hatte Quelle-Macher Friedhelm Schlieper im Anschluss erklärt, doch holte der Aufsteiger bis zum Winter nur noch magere fünf Zähler aus neun Partien und rückte dem Tabellenkeller wieder näher. Den Abschluss der Vorrunde und des Fußballjahres 1996 sollte das Derby gegen den 1. FC Nürnberg liefern. Eine Austragung auf heimischem Gelände untersagte der Verband aus Sicherheitsgründen kategorisch, bei der geplanten Verlegung in den Ronhof stellte sich der Club aufgrund des Termins quer, so dass das Heimspiel der SG Quelle am 7. Dezember 1996 im Wohnzimmer des Clubs, im Frankenstadion, stattfinden sollte.
Kleine Spielereien und Sticheleien blieben im Vorfeld der Partie "David" gegen "Goliath" nicht aus: "Wer einen Rolls Royce fahren will, muss auch Geld für das Benzin haben", schoss FCN-Präsident Roth einen Giftpfeil Richtung der Dambacher, die klar zu verstehen gaben, dass sie "vor dem FCN nicht kuschen werden", nicht nur im Hinblick auf den Souvenirverkauf am Stadion. Die Trainer dagegen zollten sich gegenseitig Respekt: "Drei Aufstiege in Folge sagen alles über Yogis Arbeit aus. Das wird vom Kopf her für uns das schwerste Spiel", warnte Club-Coach Willi Entenmann. Für Lieberwirth erfüllte sich "ein Traum", ebenso für seine Truppe "im großen Frankenstadion" spielen zu dürfen, wo die meisten Regionalliga-Teams "mit Blei in den Beinen" auflaufen würden. In der Presse wurde die David-Rolle der kleinen Quelle dadurch verstärkt, dass man SG-Keeper Jojo Müller bei seiner Arbeit als Postbote fotografierte und so den Status der Feierabend-Kicker ins Bild setzte.
Vor über 12000 Zuschauern stand am Ende ein 1:0-Zittersieg für den Club, den Abwehrmann Carsten Keuler mit einem Sonntagsschuss in der 40. Minute besorgte. Doch der Herbstmeister bot eine äußerst biedere Vorstellung gegen die taktisch klug und kämpferisch stark spielenden Feierabend-Fußballer aus der Nachbarstadt. Ein Remis war durchaus möglich und wäre auch nicht unverdient gewesen. Die Kontertaktik der Quelle wurde durch den frühen Platzverweis gegen Club-Spieler Henning Bürger kurioserweise umgeworfen: "So mussten wir das Spiel machen und der Club besaß Chancen zum Kontern", so Lieberwirth nach der "besten Saisonleistung" seiner Truppe. Entenmann war indes aufgebraucht aufgrund der harten Gangart der Quelle ("Ich überlege, ob ich überhaupt wegen dem Geklopfe zur Pressekonferenz gehen soll. Ich hoffe, ich habe mich bis Weihnachten wieder beruhigt."). So richtig unglücklich war man in Dambach trotz der Niederlage nicht, denn die Leistung stimmte zuversichtlich und der Rekordbesuch bei einem Heimspiel spülte kräftig Geld in die Kassen.
Serie endet im Fürther Derby
Über die Winterpause tankte die SG Quelle neue Kraft und jede Menge Selbstvertrauen. Sieben Spiele lang blieb man ungeschlagen, ehe am 13. April 1997 die starke Serie der SG Quelle Fürth ausgerechnet im Derby im Ronhof enden sollte. Trotz der guten Bilanz in der Rückrunde und spielerischen sowie taktischen Fortschritten, und obwohl das Kleeblatt sich erst mit 0:5 in Burghausen bis auf die Knochen blamiert hatte, machte Quelle-Manager Horst Zink im Vorfeld deutlich: "Wir sind krasser Außenseiter. Aber jedes Spiel beginnt bei 0:0." Erfreulich freundschaftlich gingen die beiden Fürther Konkurrenten im Vorfeld miteinander um, die Sparkasse spendierte Freikarten für Kinder unter 14 Jahren. So entfachten 9500 Zuschauer eine Riesenstimmung im Ronhof - auch Bayerns Innenminister Günter Beckstein ließ sich das Spiel nicht entgehen. Das Kleeblatt fand im ersten Durchgang kaum ins Spiel. Nach einem Konter über Klaus Scheidig traf Bernd Wirth in der 35. Minute zum 0:1. Der Ausgleich fiel erst nach einer Stunde, als Frank Türr der Bewachung von Harald Böhm doch einmal entwischt war und einköpfen konnte. Davor vergab die Quelle durch Oliver Fuchs aber die große Chance zum 0:2. SpVgg-Abwehrspieler Dieter Probst traf in der 77. Minute zum 2:1, ehe Aduobe in der 84. Minute die Ausgleichsbemühungen der Gäste mit dem Treffer zum 3:1-Endstand endgültig stoppte.
Stark mitgespielt, aber am Ende wieder leer ausgegangen. Die SG Quelle Fürth um Keeper Joachim Müller musste sich erst in der Schlussphase bei der SpVgg Greuther Fürth mit 3:1 geschlagen geben. Foto: Kögler
Meisterfete oder letzter Strohhalm?
Wie im Spiel bei der SpVgg Greuther Fürth so gelang der Quelle im letzten Saisonspiel und vor allem letzten Derby beim 1. FC Nürnberg am 7. Juni 1997 die Führung, die sie nicht ins Ziel retten konnte. Den Klassenerhalt und das "Fußball-Wunder" hätte selbst ein dreifacher Punktgewinn im Frankenstadion auch nicht mehr ermöglicht, doch "unsterblich" hätte sich die Lieberwirth-Elf trotzdem machen können, war schon damals abzusehen, dass unter normalen Bedingungen die Chance mit dem FCN noch einmal in einer Liga zu spielen nicht mehr so schnell, womöglich nie wieder, kommen würde.
Der Club wollte zu seiner Meisterfete vor 26.000 Zuschauern sich mit einem Sieg aus der Regionalliga verabschieden, die Quelle musste nach dem bitteren Verlauf des vorletzten Spieltages (0:1 gegen Kassel) gewinnen, um noch eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Bernd Fuchsbauer hatte per Kopfball die Gäste nach elf Minuten in Führung gebracht, in der Folge versäumte es die Quelle gegen zunächst schläfrige Nürnberger nachzulegen. Nach der Pause glich Markus Lützler aus (70.). Am Ende stand ein 2:1-Sieg des 1. FC Nürnberg und ein skandalöses Ende der Partie. Weniger die Tatsache, dass Siegtorschütze Peter Jenkner (83.) zunächst nicht auf dem Spielberichtsbogen stand, vielmehr die letzten Minuten sorgten für Aufsehen und Empörung. Spielunterbrechung und Chaos im Frankenstadion: Fünf Minuten vor Spielende hielt es die Fans nach einer Durchsage, dass die Tore zum Innenraum nach Spielende geöffnet würden, nicht mehr auf den Rängen, sie kletterten schon über die Zäune, stürmten in Meisterfeierlaune auf den Platz, obwohl das reguläre Spielende noch nicht erreicht war. Nach zehnminütiger Unterbrechung wurden die letzten fünf Minuten zu Ende gespielt, obwohl tausende Zuschauer schon am Spielfeldrand standen. Die SG Quelle überlegte danach Protest gegen die Wertung des Spiels einzulegen, verzichtete aber darauf, als klar war, dass auch ein Sieg zum Klassenerhalt nicht gereicht hätte. Zumindest eine Rechnung in Höhe von 2000 Mark stellte man dem FCN, denn die Auswechselbank der Fürther wurde von den Club-Fans in den Tumulten regelrecht geplündert.
Mit besten Dank an den "Quelle-Archivar" Hans Postler endet die dreiteilige Serie.