Fußballfest in Seligenporten
Die Fangemeinde des TSV 1860 München ist groß. Wenn die Löwen nach dem Zwangsabstieg nun in der Regionalliga durch die Dörfer und Kleinstädte tingeln, ist dies für die gastgebenden Vereine stets mit einem überdurchschnittlichen Organisationsaufwand verbunden. Eine Sicherheitsfirma und ein erhöhtes Polizeiaufgebot sind Pflicht. Der SV Seligenporten musste sich auf den Besuch des früheren Championsleague-Qualifikanten Wochen vorher vorbereiten. 3.400 Auserwählte durften aus Sicherheitsgründen lediglich ins Stadion, zehn Mal so viele Besucher wären gerne gekommen. Für Seligenporten, einem Ortsteil des etwa 6.000 Einwohner fassenden Marktes Pyrbaum, eine Großveranstaltung. Nach dem Spiel war klar: der Aufwand hatte sich gelohnt. Die heimische Arena war in weiß-blauen Farben versunken und die Anwesenden erlebten ein friedliches Familien-Fußballfest über 90 spannende Minuten bei sommerlichen Temperaturen und einer Stimmung, die seinesgleichen sucht - und am Ende sprang sogar noch Zählbares raus für die Klosterer...
Ein großes Fußballfest in Seligenporten. Die Münchner Löwen reisten an und ließen beim 0:0 sogar einen Punkt im Kloster.
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Kevin Woleman knöpft sich Sascha Mölders vor
In der Regionalliga backen die Löwen zwar immer noch größere Brötchen als die meisten ihrer Konkurrenten, jedoch kleinere als noch zuletzt in Bundesliga und 2. Liga. Zwar hätte Sascha Mölders, der für den FC Augsburg vor gar nicht allzu langer Zeit noch in der Bundesliga seine Tore schoss, auch zu einem anderen Verein wechseln können, blieb den Sechzigern jedoch selbst in der Regionalliga treu. Der bullige Fußballer, der mit seinen 32 Jahren und 187 Zentimetern Körpergröße vielleicht ein wenig zu gut über die Sommerpause gekommen ist, spielte auch in Seligenporten von Beginn an. Zu tun bekam er es dort mit einem bekannten Gesicht, nämlich Kevin Woleman. Der 25-Jährige aus der Jugend der SpVgg Greuther Fürth landete später bei der SG Quelle Fürth, dem TSV Neustadt/Aisch, beim SV Buckenhofen und der SpVgg Jahn Forchheim, ehe er über den SC Eltersdorf in der Regionalliga beim SVS ankam.
Augen zu und durch. Kevin Woleman blockt den Münchner Stürmer Sascha Mölders (re.).
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„Wenn der Sascha Mölders hochspringt, hat man das Gefühl, als wäre er zwei oder drei Etagen höher. Er hat eine wahnsinnige Präsenz vorne drin, nicht nur von den Laufwegen, sondern auch Aufreten, Mimik und Gestik", war Kevin Woleman angetan. Trotzdem erzielte der Stürmer keine Bude, vor allem weil der Ex-Jahnler immer wieder einen Zweikampf gegen den Ex-Bundesligaspieler gewann oder einen Pass, der Mölders erreichen sollte, abgrätschte. Selbst im Kopfballspiel war Woleman nicht so unterlegen, wie er es selbst beschreibt, trotz etwa zehn Zentimetern Größenunterschied. „Er ist ein klasse Spieler, da brauchen wir gar nicht drüber reden. Da sieht man in jeder Bewegung, dass er höherklassig gespielt hat." Und wenn Kevin Woleman geschlagen war, stand hinter ihm immer noch ein an diesem Tag überragender Schlussmann Sebastian Kolbe, welcher mehrere Riesenchancen vereitelte und sogar von Gästecoach Daniel Bierofka als "Man of the Match" geadelt wurde.
Sascha Mölders (li.) eine Etage höher als der Rest. Kevin Woleman kann bei der Ballannahme nichts ausrichten.
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„In der Jugend haben wir zwar hin und wieder gegen Sechzig oder Bayern gespielt, aber so etwas wie heute ist nochmal etwas Besonderes. Dass das Stadion hier ausverkauft ist, gab es noch nicht so oft. Das hat uns natürlich gepusht", so Kevin Woleman, der die kompletten 90 Minuten auf dem Platz stand und bis zuletzt die Konzentration hochhielt. „Das ganze Team hat das gut gemacht. Wir wollten griffig sein, aggressiv in die Zweikämpfe und in erster Linie kein Tor zulassen. Das ist uns heute aufgrund einer starken Leistung geglückt. Daran müssen wir anknüpfen." Erst vor kurzem hatten die Klosterer mit einem 2:0-Sieg gegen die SpVgg Bayreuth überrascht und ließen nun mit dem 0:0 gegen den Deutschen Meister der Saison 1965/66 die nächste kleine Sensation folgen. „Das war heute der Wahnsinn und hat uns auf jeden Fall Spaß gemacht - und der Punkt tut uns ganz gut."
Felix Wöllner (re.) kam frisch in die Partie und half dem SV Seligenporten dabei, das Unentschieden über die Zeit zu bringen.
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Felix Wöllner ist die letzten Minuten live dabei
Während Kevin Woleman bereits in der dritten Saison beim SV Seligenporten spielt, wechselte Felix Wöllner erst zur laufenden Runde ins Kloster. Der 25-Jährige war einst Torwandkönig beim ZDF-Sportstudio und qualifizierte sich später für eine Auswahl, die gegen den FC Bayern München antreten durfte. „Bei meinem Debüt gegen Bayern für die Paulaner-Elf habe ich schon einmal vor einer solchen Kulisse gespielt", so der Weisendorfer, der damals vor 10.000 Zuschauern kickte. Seinen letzten Auftritt bei seinem Heimatverein ASV Weisendorf hatte er in der Relegation zur Kreisklasse mit der Zweiten Mannschaft, als er dieser zum Aufstieg verhalf. Danach wagte er den Schritt in die Regionalliga. Gegen den TSV 1860 München wurde er in der 74. Minute eingewechselt, weil Kollege Sasha Diakese, der erst in der Halbzeit reinkam, Probleme mit dem Sprunggelenk hatte. Felix Wöllner war sofort auf der linken Außenbahn präsent und half in der Abwehrschlacht, die sich in den letzten Minuten entwickelte. Lauffreudig war er hinten wie vorne aufzufinden, sorgte teils für Entlastung und holte den einen oder anderen Standard raus, um Zeit von der Uhr zu nehmen. „Die Fans haben nicht nur die Sechziger gepusht, sondern auch uns. Dadurch konnten wir über unsere Reserven hinausgehen und dem Gegner einen absoluten Fight liefern. Ich freue mich, dass ich meinen Teil dazu geben konnte. Ich bin sehr glücklich."
Raffael Kobrowski (re.) war letzte Saison noch für den TV 48 Erlangen in der Bezirksliga am Ball und hatte nun für den SV Seligenporten den Siegtreffer gegen die Löwen auf dem Schlappen.
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Beinahe hätte Felix Wöllner sogar dabei helfen können, eine eigene Führung zu verteidigen, denn kurz vor seiner Einwechslung nutzten die Klosterer eine Schlafphase der Löwen aus, um selbst zu Chancen zu kommen. Die erste und vielleicht beste davon hatte Raffael Kobrowski. Der 21-Jährige kickte in der Vorsaison noch beim TV 48 Erlangen in der Bezirksliga. In Seligenporten wäre er bei einem Torschuss, den Löwen-Keeper Marco Hiller nur mit Mühe parierte, beinahe zum Helden geworden. Das wäre an diesem Tag wohl einen Tick zu viel des Guten gewesen. Die Freude über den Punkt war so oder so groß. Auch SVS-Co-Trainer Hendrik Baumgart, ehemals Coach des SC Eltersdorf, sprach von einem gewissen Glück bei der Verteidigung des Unentschiedens. „Was der Verein hier in den letzten Wochen an Vorarbeit zu diesem
Spiel geleistet hat, ist einfach sensationell. Wir haben das Spiel
genießen können. Dass wir sogar noch einen Punkt mitnehmen, dazu gehört
natürlich auch Glück. Kriegen wir am Anfang gleich ein Gegentor, kann
die Partie ganz anders ausgehen", sagt Hendrik Baumgart.
Hendrik Baumgart (re.) ist nun Co-Trainer im Kloster. Neben ihm ist Seligenportens Torwarttrainer Florian Beck, der im Übrigen ehemals den ASV Forth trainierte.
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