Kreisschiedsrichterobmann Hans Rößlein.
BFV
Hallo Herr Rößlein, schauen Sie
eigentlich noch gerne Profifußball?
Hans Rößlein: Soweit
dieser in den normalen TV-Medien übertragen wird: ja! Aber nicht nur professionellen Fußball, sondern auch gerne Spiele der Amateurligen. Allerdings
aus einem ganz anderen Blickwinkel als der "einfache" Anhänger. Mein
Hauptaugenmerk liegt bei allen Spielen auf die Schiedsrichter und deren
Regelauslegungen sowie Leistungen. Natürlich verfolge ich mit einer besonders hohen Aufmerksamkeit die Spielleitungen meiner Spitzenschiris des Kreises im Profifußball Deniz Aytekin, Benjamin Cortus, Florian Badstübner und Patrick Hanslbauer. Interessant finde ich generell auch die immer
wiederkehrenden Diskussionen bezüglich Handspiel: strafbar ja oder nein;
Strafstoßentscheidungen: Ball oder nicht Ball gespielt und die daraus
resultierenden Reklamationen von Spielern, Trainern und Kommentatoren.
BFV-Präsident
Rainer Koch hat beim Amateurfußballkongress am vergangenen Wochenende über das
Reklamieren und die Unsportlichkeiten im Profifußball gesprochen, die man
möglicherweise strenger ahnden müsse und dabei die Handball-WM als positives
Gegenbeispiel angeführt. Wie sehen Sie das Verhalten von Spieler und Trainer in
den Profi- und Amateurligen?
Rößlein: Für mich ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass es beispielsweise wegen
einer Einwurfentscheidung auf Höhe der Mittellinie zu heftigen Reklamationen
und Rudelbildungen kommt.
Lassen
sich die Schiris im Profibereich zu viel gefallen – oder müssen sie sich gar zu
viel gefallen lassen?
Rößlein: Aus meiner Sicht weder noch. Wichtig ist hier die Kommunikaton zwischen Spieler
und Schiedsrichter. Diese muss in sachlicher und beidseitigem Respekt erfolgen.
Dies erfolgt zu einem hohen Prozentsatz. Bei den Trainern muss noch etwas mehr
Basisarbeit geleistet werden. Hier gehen besonders nach den Spielen die
Aussagen nicht immer sachlich und leistungsorientiert zu. Wichtig ist die gegenseitige Akzeptanz!
Der
Amateurfußball unterscheidet sich vom Profibereich gewaltig. Das hat auch
Rainer Koch so gesagt, aber das gilt ja auf wirtschaftlicher und sportlicher
Ebene. Andererseits heißt es, dass die einen nicht ohne die anderen können…
Rößlein: Im Bezug auf den
Spielbetrieb stimmt die Aussage voll. Ohne Amateurfußball gäbe es keinen
professionellen Fußball. Alle Bundesligaspieler haben die Amateurklassen durchlaufen und dort
werden die Grundlagen geschaffen. Im Spielbetrieb und im wirtschaftlichen Bereich trennen sich Welten. Sei es in
Spielergehälter, Ablösesummen und Trainergehälter aber auch im sportlichen
Umfeld und in der Vereinsführung. Aber ohne das ehrenamtliche Engagement in den
Amateurvereinen wäre das alles nicht zu verwirklichen.
Werden
die Leistungen der Schiris in den Amateurklassen nicht genug gewürdigt oder
kann man manche Dinge einfach auch nicht schönreden?
Rößlein: Gerade in den
Amateurklassen, besonders auf der unteren Ebene, in der Kreisliga bis zur B-Klasse, sind die
Leistungen der Schiris nicht hoch genug einzuschätzen. Obwohl bereits in den
Kreisligen mit Funkfahnen und teilweise mit Headset Spiele geleitet werden, hat
das Gros der Schiedsrichter keine technischen Hilfsmittel zur Verfügung. Sie sind auf sich
alleine gestellt, aber die Vereine erwarten Spielleitungen und Entscheidungen
wie auf professioneller Ebene. Daraus resultieren harsche Kritiken und
Anfeindungen, die sogar manchmal bis zu Handgreiflichkeiten führen. Hier sollte
und muss der Hebel angesetzt werden, denn dadurch verliert man den ein oder
anderen Kollegen. Akzeptanz und Respekt für diesen Kollegen ist die
Grundlage.
Immer
wieder gibt es verbandsseitig den Aufruf, das Schiedsrichterwesen attraktiver zu
machen. Welche Rolle spielt dabei der finanzielle Aspekt?
Rößlein: Aus meiner Sicht
ist der finanzielle Aspekt nicht vom Tisch zu wischen. Obwohl man immer davon
spricht, dass dieses Amt niemand des Geldes wegen macht, ist die finanzielle Seite
schon ein kleines Argument zur Attraktivität. Es ist ja nicht mehr so einfach, Leute für das Amt des Schiedsrichters zu begeistern. Das ist sicherlich auf verschiedene Problematiken zurückzuführen, wie zum Beispiel die
Anfeindungen in den unteren Amateur- und Juniorenklassen. Aber auch negative Beispiele aus dem professionellen Bereich, sei es die Kritik durch die Medien oder Undiszipliniertheiten von Spielern und Trainern, die bei Niederlagen die Schuld in den Entscheidungen der Schiris suchen. Das alles sorgt nicht gerade für eine Aufbruchstimmung, Schiri zu werden. Der BFV hat beim letzten Verbandstag zwar eine Erhöhung der Aufwandsentschädigung für Schiris neu geregelt, diese ist aus meiner Sicht zwar
erfreulich, jedoch für den zeitlichen Aufwand sowie die administrativen
Aufgaben und die Anforderungen einer Spielleitung doch noch nicht ganz der
heutigen Zeit entsprechend. Die Kluft zwischen den einzelnen Spielklassen, von Regionalliga bis A-Klasse, ist nicht von der Hand zuweisen. Auch im
Juniorenspielbetrieb ist dies festzustellen.
Wäre dann ein großes Sponsoring im Schiedsrichterwesen die Lösung, um das
Nachwuchsproblem besser in den Griff zu bekommen und die Qualität zu steigern?
Rößlein: Ob dies allein das Nachwuchsproblem löst, da bin ich mir nicht so sicher. Aber ich
würde gerade im Hinblick auf die Steigerung der Qualität ein Sponsoring
begrüßen. Denn um die Qualität zu steigern, ist es notwendig entsprechende Tagungen, Lehrgänge, Trainingslager durchzuführen. Diese sind aber mit nicht
unerheblichen Kosten verbunden, die den selbst bilanzierenden Schiedsrichtergruppen aus den Jahresbeiträgen der Mitglieder nicht im entsprechenden Umfang zur Verfügung
stehen. Dies heißt: durch ihre Mitgliedsbeiträge finanzieren die einzelnen Schiris eigentlich ihre Weiterbildung selber. Im Spielbetrieb für Vereine gibt es ein Sponsoring, einen Sparkassen-Cup, Tucher-Ligapokal oder Toto-Pokal. Bei den Schiedsrichtern fehlen leider derartige Aktivitäten. Es wäre schon schön, wenn zum Beispiel auf Kreisebene sich
ein derartiger potentieller Partner finden würde.
In
anderen Ländern ist das Pfeifen wohl schon jetzt attraktiver?
Rößlein: Leider ja! Wir
hatten bei uns in der Gruppe über viele Jahre einen spanischen Landsmann, der
bei uns Spiele bis in die Kreisliga geleitet hat. Dieser ist nun in seinem
fortgeschrittenen Alter mit 63 Jahren zurück in seine Heimat nach Spanien
gegangen und leitet dort Spiele, die man bei uns in die Kreisklasse einordnen
würde. Dort bekommt er eine Aufwandsentschädigung für ca. 5 bis 6 Spiele im
Monat von knapp 400 EUR seitens seines Verbandes.
Die
Leistungen der Schiedsrichter werden ja immer genauer durchleuchtet. Stichwort
Videobeweis im Profibereich. Finden Sie diese Form der zusätzlichen Kontrolle aus
Schiedsrichter-Sicht vorteilhaft?
Rößlein: Den Videobeweis im professionellen Bereich finde ich für sinnvoll, da es hier
doch um hohe finanzielle Summen geht. Aber wir sollten die Begrifflichkeiten
genauer definieren. Was ist denn eine Fehlentscheidung? Für mich ist dies zum Beispiel, wenn der Schiri statt einen der Regel entsprechenden direkten Freistoß einen indirekten Freistoß gibt; er
eine zweite Gelbe Karte ausspricht, statt Gelb-Rot zu zeigen oder einen falschen Spieler mir der
Roten Karte belegt, einen klar und für alle ersichtlich im Abseits stehenden Spieler nicht ahndet und daraus ein Tor erzielt wird. Viele andere Situationen sind für mich Wahrnehmungsfehler und unterliegen nicht
der Rubrik Fehlentscheidung!
Aber auch auf Amateursportplätzen gibt es längst den Einsatz von Kameras...
Rößlein: Im Amateurfußball sind wir Schiris auch viel gläserner geworden, seit es Sporttotal gibt. Die automatische Kamera ist noch nicht ganz so ausgegoren wie erwartet.
Ich bin kein Freund von der Videobeoabachtung, bei der der Schiri-Beobachter nicht vor Ort ist und
die Leistung der Schiri-Teams anhand der Spielanalyse am PC durchführt und
dementsprechend benotet. Hier fehlt mir die Liveanalyse vor Ort! Denn er kann
sich Szenen mehrmals auch in Zeitlupe ansehen, was der Schiri so eben nicht kann.
Im
Profibereich werden aktive Schiris als Videoassistent eingesetzt, entsteht
dabei nicht ein Interessenskonflikt zwischen Konkurrenten?
Rößlein: Zunächst sehe
ich keine Interessenskonflikte. Aber ich bin eigentlich seit Einführung des Videoassistenten dafür, ehemalige Schiris aus den professionellen Leistungsklassen hier einzusetzen
und dementsprechend zu schulen. Dies würde meiner Meinung nach eine praktikable
Lösung darstellen. Auch für die Schiris im professionellen Bereich wäre es eine
Entlastung und eine Konzentration auf ihre Kernaufgabe, nämlich ein Spiel zu leiten.
Heruntergebrochen auf die Spielbeobachtungen in den Amateurklassen – wie sind hier die Vorgaben?
Rößlein: Im Amateurbereich in Bayern darf zum Beispiel kein Schiri als Schiri-Assistent in seiner
qualifizierten Leistungsklasse eingesetzt werden. Auch kein Schiri auf der Verbands- und Bezirksliste wird als Beobachter auf jener Verbands- bzw. Bezirksliste eingesetzt.
Nach
all den Jahren an der Basis: Macht die Aufgabe überhaupt noch Spaß?
Rößlein: Eine gute Frage! Diese kann ich nur aus meinem Blickwinkel beantworten. Wenn
man, so wie ich, nun fast 30 Jahre an der Führung einer Schiedsrichtergruppe und eines
Großkreises steht, dann betrachtet man diese Aufgabe als "Lebenswerk". Es erfüllt einen immer wieder mit Stolz und Freude wenn man
die "Saat", nämlich die Schiedsrichterkollegen, aufgehen sieht und die Ernte, sprich die Qualifikation in höhere Klassen, einfahren kann. Dies alles erfordert
Engagement und Leidenschaft. Ja, es macht mir noch Spaß und ich möchte die
Jahre auch nicht missen!