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Artikel veröffentlicht am 23.04.2020 um 12:37 Uhr
Jürgen Igelspacher im Interview: Die wichtigsten Fragen zum Vorstandsbeschluss
Im Interview beantwortet Jürgen Igelspacher, hauptamtlicher Geschäftsführer des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), die wichtigsten Fragen zum einstimmig gefassten Beschluss des Vorstandes, die Spielzeit 2019/20 ab dem 1. September wieder fortzusetzen und sportlich zu Ende zu bringen. 
Von Sebastian Baumann / PM BFV
Der 51 Jahre alte Jurist zeichnet federführend dafür verantwortlich, dass der Beschluss inhaltlich rechtssicher umgesetzt und in den BFV-Statuten verankert wird. Igelspacher hatte die Sitzung des Vorstandes vorbereitet, ein Stimmrecht besitzt der gebürtige Schwabe nicht.

Der Vorstand hat lange beraten, am Ende dann einstimmig den Grundsatzbeschluss gefasst, die aktuell unterbrochene Saison bis zum 31. August 2020 auszusetzen und – wenn durch staatliche Vorgaben möglich – ab dem 1. September 2020 fortzusetzen. Wie haben Sie als Geschäftsführer den Sitzungsverlauf wahrgenommen?

Jürgen Igelspacher: Es war eine sehr intensive und ausdauernde Beratung, schließlich hat die Entscheidung weitreichende Konsequenzen. Wir alle wissen, dass die Zeiten gerade sehr bewegt sind. Wir alle hätten uns vor ein paar Monaten nicht vorstellen können, dass der Vorstand jemals vor solch einer Entscheidung stehen wird. Allen ist natürlich bewusst, dass es nicht die eine Lösung gibt, die alle glücklich macht und alle Fragen vom Tisch wischt. Wir sind aber alle der festen Überzeugung, dass der vorgeschlagene Weg unter allen der bestmögliche ist. Die Entscheidung wurde jetzt ja nicht aus dem Bauch heraus getroffen, sondern es wurde sehr sorgfältig abgewogen – und wir haben seit Wochen die Vereine fortlaufend informiert, was wir tun und warum wir das machen.

Und der BFV hat ein Meinungsbild eingeholt ...
Jürgen Igelspacher: ... Ja, auch das war uns wichtig. Wir haben vom ersten Tag an klar gesagt, dass wir das nicht im Vorstand hinter verschlossenen Türen entscheiden, sondern offen kommunizieren und auch die Vereine aktiv in diesen Prozess miteinbeziehen. Das haben wir in letzter Konsequenz auch jetzt mit der Meinungsbild-Abfrage getan. Dass die Wahlbeteiligung bei fast 75 Prozent lag, finde ich toll. Das zeigt, dass sich die Klubs sehr tiefgehend mit dieser elementaren Entscheidung befassen und dass sie das Thema intensiv beschäftigt. Dass über zwei Drittel der Vereine unseren Weg für den richtigen erachten, werten wir als klaren Auftrag. Der Vorstand ist gewählt, um Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen – auch in schwierigen Situationen wie der aktuellen. Davor drückt sich auch niemand, sondern es wurde klar gesagt, was für den Vorstand infrage kommt und was nicht. Wir haben unser Handeln aber während des kompletten Prozesses auf den Prüfstand gestellt und uns letztlich auch das Meinungsbild eingeholt. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand jetzt entschieden. Er stellt sich seiner Verantwortung und trifft damit auch eine Prognoseentscheidung. Die Vereine haben nun die geforderte Planungssicherheit. Der Spielbetrieb ruht bis mindestens 31. August.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Ergebnisse des Meinungsbildes jetzt sehr unterschiedlich, mitunter sehr kontrovers und emotional, diskutiert werden?
Jürgen Igelspacher: Ja, die habe ich. Das war uns allen auch im Vorfeld klar, weil in dieser Diskussion jetzt nicht diejenigen ihre Stimme erheben, die Verantwortung in einem Verein tragen. Sondern vornehmlich auch Fans, Spieler und Trainer. Genau das ist der große Unterschied, da klaffen die Blickwinkel nämlich weit auseinander – ein Entscheider im Klub muss das große Ganze bedenken, er muss seinen Verein im Auge haben und sehr viele Faktoren abwägen. Der Spieler sieht vor allem erst einmal seine Situation, vielleicht seinen Vertrag und dass er zweimal in der Woche trainiert und einmal spielt. Das ist auch das Recht eines jeden. Für einen Entscheider, einen Verantwortungsträger, gehört aber viel mehr dazu. In all der Diskussion kommen mir persönlich die Meinungen der besonnenen Vereinsvertreter zu kurz. Ich habe wenig Verständnis für diejenigen, die unter dem Mantel der Anonymität in irgendwelchen Foren oder in den sozialen Netzwerken jetzt als Besserwisser auftreten und dabei auch noch beleidigend werden. Sie beleidigen damit nämlich auch alle eigenen Vereinsvertreter, die in einer sehr schweren Lage Verantwortung übernommen haben. Gegen etwas sein, ist eben sehr leicht. Sich konstruktiv für eine Lösung einsetzen, schon etwas schwieriger. Aber das ist kein Problem des Fußballs oder des Sports, das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die mir persönlich missfällt. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass wir keine andere Meinung gelten lassen. Im Gegenteil: Wir sollten uns nur argumentativ miteinander auseinandersetzen, nicht mit Beleidigungen hantieren. Und ich respektiere jede andere Meinung, weil es sicherlich auch dafür Gründe gibt.

Warum stand beim Einholen des Meinungsbildes nur eine Frage zur Auswahl? Das werfen Ihnen Kritiker ja gerade vor.
Jürgen Igelspacher: Auch das haben wir ganz deutlich gesagt und mehrfach wiederholt. Weil wir hier vor einer Grundsatzfrage stehen: Nach einer Unterbrechung weiterspielen oder ganz abbrechen? Wer mit Nein gestimmt hat, auch das haben wir wiederholt klar und deutlich vor Augen geführt, war für einen Abbruch oder eine Annullierung. Und dieser Weg hätte alleine schon aus Haftungsgründen einen Außerordentlichen Verbandstag zur Folge gehabt. Der Vorstand war immer gewillt, Verantwortung zu tragen und eine Entscheidung zu treffen. Diesen Weg haben wir aufgezeigt. Für diesen Weg wollten wir die Meinung der Vereine kennen. Alleine für den Fall eines Saisonabbruchs gibt es nochmals ganz unterschiedliche Wege. Abbrechen und den aktuellen Tabellenstand werten? Gar keine Wertung? Nochmal bei null beginnen? Nur Aufsteiger, keine Absteiger? Beides: also Auf- und Absteiger? Und, und, und… Ich bin mir sicher, dass unter dem knappen Drittel, das jetzt „Nein“ gesagt hat, nochmals ganz viele unterschiedliche Meinungen vorherrschen, wie mit einem Abbruch hätte umgegangen werden sollen.

Warum hat der BFV nicht veröffentlicht, welcher Verein wie abgestimmt hat?
Jürgen Igelspacher: Auch wenn es sich „nur“ um ein Meinungsbild handelt, sprechen wir von einer Abstimmung, bei der die Vereinsverantwortlichen davon ausgehen dürfen, dass ihr Abstimmungsverhalten nicht veröffentlicht wird. Ich persönlich hätte kein Problem damit, das Abstimmungsverhalten öffentlich zu machen. Aber vielleicht machen sich die, die das jetzt anzweifeln, einfach die Mühe und fragen ihre Entscheidungsträger in den Vereinen, ehe sie öffentlich irgendetwas behaupten, was nicht der Wahrheit entspricht. Jeder Verein ist übrigens frei darin, zu sagen, wie er für sich entschieden hat – auch öffentlich.

Jetzt hat der Vorstand seine Grundsatzentscheidung getroffen, damit sind aber noch längst nicht alle Fragen beantwortet und Problemstellungen gelöst, oder?

Jürgen Igelspacher: Nein, das sind sie nicht. Wir haben immer klar betont, dass auch unser Weg Probleme mit sich bringen wird, die uns vor eine große Herausforderung stellen. Das wissen wir und so handeln wir jetzt. Wir setzen insgesamt fünf Lösungs-Arbeitsgruppen (LAG) ein, die sich um die Themenfelder „Vereinswechsel“, „Spielbetrieb Erwachsene“, „Spielbetrieb Juniorinnen und Junioren“, „Meldungen und Fristen“ sowie „Einbettung in Regularien“ kümmern. Dabei sollen in den einzelnen AGs ganz bewusst auch Vereinsvertreter mitwirken, die BFV-Ehrenamtlichen aus den Kreisen und Bezirken werden ebenfalls mit dabei sein. Es gibt viele Fragen zu klären, unser Ziel ist es, schnellstmöglich fundiert zu Ergebnissen zu gelangen. Wir wollen und werden Antworten liefern. Wir werden aber alles feinsäuberlich abarbeiten müssen und wir werden keine Was-Wäre-Wenn-Diskussionen in der Öffentlichkeit führen. Klar ist auch, dass Gründlichkeit vor Geschwindigkeit geht. Trotzdem wollen wir möglichst rasch liefern, denn die Fragen sind drängend. Jeder will wissen, woran er ist. Und wir wollen mit unseren Antworten auch möglichst viele von denen überzeugen, die jetzt mit „Nein“ gestimmt haben. Auch wenn wir wissen, dass am Ende nicht alle jubeln werden. Wir wollen Lösungen, die der größtmöglichen Mehrheit unserer Vereine in ganz Bayern gerecht wird. Auch das ist übrigens das Ergebnis von Demokratie.

Warum differenzieren Sie zwischen Jugend- und Aktiven-Bereich?
Jürgen Igelspacher: Weil es diese Unterscheidung dringend braucht, das liegt auf der Hand: Es macht einen großen Unterschied, Lösungen für Kleinfeld-Teams im Nachwuchs zu finden, bei denen aktuell gar keine Tabelle geführt wird, als bei Frauen oder Männern, bei denen Vertragsrecht oder eine mögliche weitere Wechselperiode, die es aufzuarbeiten gilt, im Vordergrund steht. Altersklassenübergänge im Nachwuchs spielen eine entscheidende Rolle, der Übergang von den A-Junioren in den Herrenbereich, um ein weiteres Beispiel zu nennen. Es kann also – wie frühzeitig angekündigt – zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Fakt ist, dass es bei uns in Bayern vor dem 31. August 2020 keinen Wettbewerbs-Betrieb geben wird – nicht bei Buben und Mädchen, nicht bei Frauen und Männern.

Die anderen Landesverbände haben noch nicht entschieden, ist der BFV einfach vorgeprescht?

Jürgen Igelspacher: Es war der klare Wunsch der allermeisten Vereine, Klarheit zu erhalten und Hängepartien zu vermeiden – eben nicht mehr im Zwei-Wochen-Rhythmus zu entscheiden. Klarheit darüber zu bekommen, wie es die nächsten Wochen weitergeht. Ich habe das nicht nur als Wunsch zur Kenntnis genommen, für uns war das eine Forderung, der wir als Verband nachkommen müssen. Wir haben sehr, sehr früh ganz viel Kraft in unsere Kommunikation investiert – insgesamt wurden Stand heute in Summe fast 10.000 bayerische Vereins-Verantwortliche in über 80 Web-Konferenzen persönlich zu den Auswirkungen der Pandemie auf den bayerischen Spielbetrieb informiert. Das hat nichts mit Vorpreschen zu tun, sondern damit, wissen zu wollen, was draußen im Land los ist, welche Problemstellungen sich vor Ort ergeben. So haben wir viele Themenfelder identifizieren können, das hilft uns jetzt enorm weiter. Es gibt Landesverbände, die steigen jetzt in diese Kommunikation ein und streben eine ähnliche Lösung wie wir an.

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