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Artikel veröffentlicht am 04.07.2020 um 12:00 Uhr
Neues Selbstverständnis nötig?: "Frauenfußball ist anders-aber auch anders schön"
Attraktivität, Wertschätzung und Anerkennung sind viel zitierte Schlagwörter im Frauenfußball – nicht nur bei denen, die mit vollem Einsatz für eine starke Rolle des „schwachen Geschlechts“ kämpfen. Wie es um die eigene Wahrnehmung bestellt ist und vor allem, welche Rolle der Frauenfußball selbst hinsichtlich seines Ansehens spielt, darüber unterhielt sich anpfiff.info mit den Protagonisten der oberfränkischen Top 4.
Von Bernd Riemke
„Die Mädels sind taubstumm. Sie lassen es mit sich machen und sind viel zu demütig, obwohl sich die Männer jederzeit bei ihnen eine Menge abschauen könnten.“ Siegfried Penka, langjähriger Trainer, Spielleiter und Mister Frauenfußball beim 1. FFC Hof wählt deutliche Worte, um den Stellenwert, aber auch die Selbstwahrnehmung des Frauenfußballs knapp zehn Jahre nach dem vermeintlichen, durch die WM im eigenen Lande ausgelösten, Boom zu beschreiben. In der Tat ist die Zahl der gemeldeten Mädchenmannschaften im Bezirk derzeit rückläufig und auch bei den Frauen melden jedes Jahr einige Vereine ihre Mannschaft vom Spielbetrieb ab, gehen Spielgemeinschaften ein oder nehmen mangels ausreichendem Personal das Flex9-Modell dankend an.

Siegfried Penka engagiert sich seit über drei Jahrzehnten für den Frauenfußball.
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Der ewig hinkende Vergleich

Der unverkennbare und faktisch messbare Run, der vor gut einem Jahrzehnt auf die Mädchenfußball-Abteilungen einsetzte, ist merklich abgeebbt und auch die Zuschauerzahlen stagnieren weitgehend. „Vor und während der WM 2011 wurde viel gepushed, um den Frauenfußball voranzutreiben, doch das ging insgesamt nach hinten los“, konstatiert auch Theresia Vogt, Erfolgstrainerin des Landesliga-Spitzenreiters Schwabthaler SV. Wohl auch, weil die Frauen immer wieder mit den kickenden Männern verglichen werden. Ein Unding – darin sind sich alle Befragten einig. „Frauenfußball ist einfach nicht so attraktiv, weil sowohl Schnelligkeit als auch Athletik fehlen, dafür sind Frauen mitunter technisch versierter“, gibt Theresia Vogt unumwunden zu und erhält verbale Unterstützung von Christopher Hack, Spielleiter des Bayernligisten SV Frensdorf, der ihr mit den Worten zur Seite springt, dass Frauenfußball viel fairer und weniger theatralisch sei. „Frauenfußball ist anders. Aber auch anders schön“, so Hack vielsagend. Dass jener auf hohem Leistungsniveau anspruchsvolle Fußball von vielen immer noch belächelt wird ohne jemals selbst ein Spiel gesehen zu haben, moniert auch der langjährige Erfolgstrainer des Landesliga-Neulings SpVgg Ebing. „Alle Zweifler sollten einmal über ihren Schatten springen und sich eine Partie anschauen“, so Andreas Eiermann, der im gleichen Atemzug jedoch auf die Unterschiede in der Qualität hinweist, die zwischen ambitioniertem Landes- oder Bayernligafußball und dem Breitensportkick in den unteren Klassen zweifelsohne bestehen.

Die Genügsamkeit des „lästigen Anhängsels“?

Die Akzeptanz und die Anerkennung müssen sich die Frauen selbst im eigenen Verein oft schwer erarbeiten. „Wir haben anfangs auch viel Klinken putzen müssen“, erinnert sich Andreas Eiermann, der die Frauen bei der SpVgg Ebing im Laufe der Jahre mehr als nur etablierte. Dafür ist jedoch nicht selten ein hohes Maß an Eigenengagement notwendig. „Bei den Herren gibt es immer jemand, der sich einfach kümmert. Wir machen das alles selber“, bekräftigt Theresia Vogt, die jedoch ausdrücklich betont, beim Schwabthaler SV beste Unterstützung in allen Belangen zu bekommen. „Der Verein ist in dieser Hinsicht ein Aushängeschild. Insgesamt sind wir einfach genügsamer!“ Frauen organisieren sich in der Tat häufig selbst und haben vor allem dann einen schweren Stand im Gesamtverein, wenn sie insgesamt eher toleriert als akzeptiert sind. Ein „lästiges Anhängsel“ sind die Frauen-Abteilungen zwar längst nicht mehr, doch an der Vormachtstellung im eigenen Verein können sie selbstredend nicht kratzen. Nicht zuletzt bedingt durch die Tatsache, dass jede 1. Herrenmannschaft durch generierte Zuschauer- und Gastronomieeinnahmen bei den Heimspielen eine verlässliche Einnahmequelle für jeden Verein darstellt.

Theresia Vogt gibt beim Schwabthaler SV die Richtung an: vorwärts!
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Das Licht unter den eigenen Scheffel gestellt

„Was nix kost‘, is auch nix wert“, zitiert Siegfried Penka diesbezüglich eine eingängige Floskel und verweist damit darauf, dass der BFMA in Oberfranken sich und den Vereinen selbst auferlegt hat, bei den Spielen der Frauenligen bis einschließlich zur Bezirksoberliga keinen Eintritt zu verlangen. Den sich an der Basis mit seinen oberfränkischen Funktionärinnen rührig kümmernden Verband trifft laut Penka an diesem „ewigen Drama“ keine Schuld. Die Vereine selbst, respektive die Frauen-Abteilung, müssten viel mehr Initiative zeigen. Am Spieltag selbst zeigen sich etliche Vereine mit Kuchenverkauf oder einem leckeren Weißwurstfrühstück durchaus kreativ, darüber hinaus lässt die Einsatzbereitschaft jedoch mitunter gehörig nach. Die Öffentlichkeitsarbeit beginnt schließlich schon in einer möglichen werbewirksamen Vorausschau auf das nächste Heimspiel – sowohl in der Presse, wie auch in den sozialen Medien – mit einem anschließenden bebilderten Spielbericht - geht über die öffentliche Verkündigung von Neuzugängen und hört bei der Akquise für eigene Werbepartner zu einem „kleinen vierseitigen Stadionblättla“, wie es Siegfried Penka vorschwebt, oder Stadiondurchsagen der Mannschaftsaufstellungen vor Spielbeginn noch lange nicht auf. Christopher Hack schlägt in dieselbe Kerbe, wenn er von einem „Sportgroschen“ zu den Heimspielen spricht, bei denen sich die Vereine gar nicht zwingend „die Taschen voll“ machen sollen, aber doch immerhin einen obligatorischen Euro zu den Heimspielen als Eintritt verlangen könnten – wenn nicht schon umtriebige Helferinnen mit einer Sammeldose freiwillige Spenden von den Zuschauern einsammeln.

Frauen leben die Fußballromantik

Grundsätzlich beklagt eine zunehmende Anzahl an Vereinen die wegbrechenden Einnahmen der dritten Halbzeit, weil gerade die jungen Spieler sich nach dem Schlusspfiff schnellstmöglich vom Sportgelände verabschieden. „Die Männer motzen und sehnen sich nach den alten Zeiten zurück. Da könnten sie sich aber von den jungen Damen einiges abschauen“, sagt Siegfried Penka, der mit Nachdruck bestätigt, dass jene Geselligkeit in vielen Frauenmannschaften keine hohle Phrase, sondern gelebte Realität ist. Unterstützung erfährt er dabei durch Christopher Hack, der betont, dass viele Frauen zusätzlich einen erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand betreiben und Privates häufig hinten anstellen, um höherklassig Fußball zu spielen. In einer vergleichbaren Liga, in der sich bei den Männern „vieles nur noch um das Geld“ dreht, bringen die Frauen eine gehörige Portion Idealismus mit , „weil sie einfach gerne kicken wollen“.

"Wohin geht die Reise des Frauenfußballs?", scheint Andreas Eiermann andeuten zu wollen.
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Die Wilden Kerle – auch Mädchen können Fußballspielen

Dennoch werden es immer weniger. Die Zahl der gemeldeten Mädchenmannschaften belegt einen Rückgang des weiblichen Nachwuchses. „Gerade wir als reiner Frauenfußballverein betreiben einen gigantischen Aufwand. Am Ende wurschtelt aber jeder Verein alleine, anstelle sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und nachhaltige Lösungen zu finden“, nimmt Siegfried Penka die Vereine selbst in die Pflicht, dem gefühlten aktuellen Negativtrend wieder zu einer Kehrtwende zu verhelfen. Die mangelnde Vernetzung untereinander ist sicher ein Faktor, die insgesamt geringe Anzahl an Vereinen, die Mädchenfußball anbieten, sicher ein anderer. Während Jungs, die Spaß am Fußball haben, häufig im noch so kleinen Heimatörtchen eine Fußballmannschaft finden, müssen Mädchen gleichen Alters nicht selten einige Kilometer Fahrtstrecke auf sich nehmen. „Hier muss dann auch die Bereitschaft des Elternhauses vorhanden sein“, verweist Andreas Eiermann darauf, dass sich die Mädchen einer U-Mannschaft oft aus vielen umliegenden Dörfern bilden, und es gehörigen Klinkenputzens bedarf, um diese talentierten Mädchen dann auch dafür zu begeistern, ihr Interesse trotz mühevoller organisatorischer Anstrengungen mit den Fahrten zum Training und langen Auswärtsfahrten schon auf Kreisebene, aufrecht zu erhalten.

Christopher Hack zeichnet sich als kritischer und reflektierter Betrachter des Frauenfußballs aus.
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Die Ohnmacht des Verbandes

„Der Verband hat gute Leute, die den Frauenfußball nach vorne bringen wollen“, bekräftigt Christopher Hack, sieht aber auch das rückläufige Interesse der Mädchen in den vergangenen Jahren – trotz Tagen des Mädchenfußballs, Ballbina kickt oder weiteren attraktiven Angeboten, die die weibliche Führungsriege des BFMA alljährlich anbietet, um Werbung in eigener Sache zu machen. Auch Theresia Vogt stellt ein stückweit ernüchtert fest: „Der BFV schafft Angebote. Sie werden nur nicht angenommen.“ So ist der dringende Appell von Siegfried Penka beinahe folgerichtig, wenn er alle Mitstreiter in den Vereinen, die Frauen- und Mädchenfußball anbieten, aufruft, aus eigenem Antrieb heraus mehr für den eigenen Nachwuchs zu tun. „Das ist ein wichtiger Mosaikstein für die Akzeptanz und die Wertschätzung des Mädchen- und Frauenfußballs“, untermalt Andreas Eiermann die Aussagen seines Hofer Kollegen, da allen Protagonisten trotz unterschiedlichster Voraussetzungen in ihren eigenen Vereinen eines gemeinsam ist: die Leidenschaft für den Frauenfußball!

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Leser-Kommentare

Auf ein Wort...

Theresia Vogt (Trainerin Schwabthaler SV): Der Frauenfußball stand und steht in der Wertschätzung und Anerkennung weiter hinten an, genau wie in anderen Sportarten auch. Das wird sich auch nicht ändern, weil immer wieder Frauen- und Männerfußball verglichen wird. Insgesamt sehe ich aber ein beginnendes Umdenken. Es wird zunehmend attraktiver, sich ein Frauenspiel anzuschauen.

Siegfried Penka (Funktionär 1. FFC Hof): Wir müssen aus unserer Lethargie aufwachen. Die Frauen müssen lernen, gewisse Sachen zu tun, aber auch zu fordern, wenn sie ihren Sport mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betreiben wollen. Vereine müssen viel mehr für ihre Beachtung tun. Die Frauen selbst sollten sich wichtiger nehmen und nicht so unterwürfig zeigen. Meine Mädels sind schon froh, wenn sie einen Ball bekommen, wenn aber vier Wochen die Duschen im Sportheim ausfallen, beklagen sie sich nicht.

Christopher Hack (Spielleiter SV Frensdorf): Die Wertigkeit des Herrenfußballs ist insgesamt höher, weil es ihn gefühlt schon ewig in jedem Dorf gibt und ein Männerspiel einfach zum Sonntag Nachmittag dazugehört. Die Leistung der Mädels wird jedoch honoriert. Mit dem nötigen Erfolg verdienen sie sich auch die Anerkennung, so dass der Stellenwert des Frauenfußballs steigt. Er ist vielleicht noch nicht am Ende der Reise angelangt, denn am Ende des Tages ist ein Verein ein Verein – egal von welcher Abteilung man spricht.

Andreas Eiermann (Trainer SpVgg Ebing): Als die DFB-Frauen überaus erfolgreich waren, nutzten auch die Medien diesen Hype und haben durch vielfältige positive Berichterstattung einen Boom ausgelöst. Es gab viele Mädchenmannschaften und aus dem breiten Angebot an Spielerinnen hat sich folgerichtig auch die Leistung einzelner Spielerinnen und ganzer Mannschaften nach oben entwickelt. Auf diesem hohen Niveau hat sich der Frauenfußball inzwischen auch seine Wertschätzung verdient. Und diese nimmt zu, je höher man in den Ligen nach oben schaut.


Steckbrief S. Penka

Siegfried Penka
Alter
62
Geburtsort
Hof
Wohnort
Köditz
Familie
in Beziehung, 1 Kind
Größe
175 cm
Beruf
Imbissbetreiber
Hobbies
Fußball, Radfahren
Starker Fuß
Rechtsfuß
Lieb.-Position
defensives Mittelfeld ("6er")
Erfolge
Bayerischer Frauenmeister mit Unterkotzau

Steckbrief T. Vogt

Theresia Vogt
Alter
44
Größe
173 cm
Beruf
Verwaltungsfachwirtin
Hobbies
Reisen
Starker Fuß
Rechtsfuß
Lieb.-Position
offensives Mittelfeld
Erfolge
Bezirksoberliga-Meister 2013/2014 als Spielerin, 3. Platz in der Landesliga als Trainerin.

Steckbrief A. Eiermann

Andreas Eiermann
Spitzname
Anderl
Alter
53
Geburtsort
Bamberg
Wohnort
Ebing
Familie
verheiratet, 2 Kinder
Nation
Deutschland
Größe
183 cm
Gewicht
85 kg
Beruf
Seminarleiter
Hobbies
Skifahren, Familie

Steckbrief C. Hack

Christopher Hack
Spitzname
Hacki
Alter
44
Geburtsort
Forchheim
Wohnort
Hirschaid
Familie
ledig
Nation
Deutschland
Größe
186 cm
Beruf
gelernter Bankkaufmann
Hobbies
Freunde treffen
Starker Fuß
Linksfuß
Lieb.-Position
Mittelfeld

Hintergründe & Fakten

Personendaten
Personendaten
Personendaten
Personendaten

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