Vom Scheunentor ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft
Seine Karriere begann
der 1,81 Meter große Abwehrspieler, auch bekannt als Helmut „Alu“ Rahner, bei
seinem Heimatverein DJK Weingarts in der Jugendmannschaft. Aufgewachsen auf dem
elterlichen Bauernhof begann Helmut als kleiner Bub mit dem Fußball: „Mein
erstes Ziel war das Scheunentor, da habe ich immer dagegen geschossen." Bei
seinem Heimatklub wurde er ausgebildet. Der Linksfuß spielte wie sein Vater
Hans zunächst als Linksaußen. In der C-Jugend gelangen Rahner 130 (!) Tore in
einer Saison. Nach der Schule absolvierte er eine Schlosserlehre, aber der Fußball
stand immer im Mittelpunkt.
1986 kam Rahner zum 1. FC Nürnberg, spielte in den
B- und A-Jugendmannschaften beim Club. Mit der B-Jugend verlor das Endspiel um
die Deutsche Meisterschaft im Frankenstadion gegen Bayer 05 Uerdingen mit 0:4.
1989 stand Rahner mit der Club-U19 im Finale um die Deutsche Meisterschaft und
verlor nach 2:0-Führung gegen den VfB Stuttgart noch mit 2:3. Rahner wurde
Vertragsamateur, der inzwischen zum Abwehrspieler umfunktioniert wurde, und
trainierte mit den Legenden Sergio Zarate, Dieter Eckstein, Andreas Köpke &
Co unter Trainer Hermann Gerland und holte sich den Schliff für den
Profibereich.
Deutscher Vizemeister mit der B-Jugend des 1. FC Nürnberg 1987.
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Maringer ebnet Weg ins Berliner Olympiastadion - im Paket nach Uerdingen verkauft
Von der Frankenmetropole
machte sich der Blondschopf, der als Nachwuchshoffnung galt, auf in die
Bundeshauptstadt nach Berlin. Die Mauer war ein Jahr zuvor gefallen, das Leben
in der Millionenstadt hatte sich verändert. Rahner, dessen Vorbild Hans-Peter
Briegel vom 1. FC Kaiserslautern war, heuerte bei Blau-Weiß 90 Berlin an. Der
Berliner Zweitligist war allerdings in finanzielle Schieflage geraten. Der legendäre Nürnberger Unternehmer Hans Maringer wollte Blau-Weiß retten und vermittelte Rahner aus dem Frankenland nach Berlin. Doch bei den Berlinern wurde Rahner nicht lange glücklich,
die prekäre finanzielle Situation des Vereins besserte sich nicht und der
Verein musste 1991 aus der 2. Bundesliga absteigen. „Das war ein riesen
Erlebnis im Olympia-Stadion zu spielen und gleich im ersten Spiel mit der
großen Aufgabe gegen den MSV Duisburg und meinen Gegenspieler Ewald Lienen.”
Erste Station fern der Heimat: Blau-Weiß 90 Berlin hier mit Trainer Horst Ehrmanntraut.
Repro: fussballn.de
Inzwischen war der Name Rahner, er hatte sich zu einem kompromissloser Abräumer entwickelt, der hart gegen sich selbst und die Gegner spielte, in der 2. Liga bekannt und das ermöglichte ihm den Wechsel zu Bayer 05 Uerdingen, wohin er gemeinsam mit den beiden Mittelfranken Thomas Adler und Alexander Kutschera im Paket für 1,3 Millionen transferiert wurde. "Wobei man sagen muss, dass der Thomas - unser Kopfballungeheuer - die große Nummer war und gefühlt 900.000 Mark in dem Deal allein ausgemacht hat", lacht Rahner rückblickend und erlebte fortan seine erfolgreichste Zeit. Mit Uerdingen stieg er gleich im ersten Jahr in die erste Bundesliga auf.
Als "Rambo" in die Bundesliga
Seine erfolgreichste Zeit als Fußballer hatte Helmut Rahner in Uerdingen bei Bayer 05.
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In den nächsten Jahren entwickelte er sich unter Trainer Friedhelm Funkel zum Stammspieler in der Innenverteidigung. In dieser Zeit erwarb er sich aufgrund seiner zum Teil rustikale Spielweise, die er selbst als „ehrliche Arbeit“ bezeichnete, den Beinamen „Rambo”. In seiner Zeit in Uerdingen nahm Rahner 1993 an der Militär-Weltmeisterschaft in Marokko mit der Bundeswehr-Nationalmannschaft teil, die den dritten Rang belegte, mit von der Partie war seinerzeit Markus Babbel. „Das war auch eine tolle Erfahrung, hat Spaß gemacht.”
Bei der Militär-WM in Marroko 1993 wurde Rahner WM-Dritter.
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In Krefeld geraten die Fans auch heute noch ins Schwärmen, wenn von „Helle“ Rahner gesprochen wird. Auf den Bundesliga-Aufstieg 1992 folgte 1993 der Abstieg, aber 1994 kehrte der Werksklub in die höchste deutsche Spielklasse zurück. 1995 stieg das Bayer-Werk als Hauptsponsor aus, der Verein benannte sich in KFC Uerdingen um. Nach zwei Jahren Bundesliga musste der KFC 1996 wieder runter. In der Winterpause 1996/97 verließ der Abwehrspieler den Verein aus dem Krefelder Stadtteil nach fünfeinhalb Jahren. Kontakte zu ehemaligen Uerdinger Spielern bestehen bis heute wie zu Jan Heinze und Bernd Dreher.
Mit den alten Kollegen Michael Schulz (r.) und Ulrich Borowka (l.) wurde Rahner nach seiner Karriere noch einmal als einer der rustikaleren Spielern der Bundesliga in Szene gesetzt.
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Abenteuer Schottland, Drama beim Club
Nach seiner Station in
der Grotenburg-Kampfbahn in Uerdingen versuchte sich Rahner im Ausland. Anfang
1997 wechselte er während der Saison 1996/97 nach Schottland zum FC Kilmarnock.
„Das war ein Abenteuer. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Spiel
gegen die Wolverhampton Wanderers. Mein Gegenspieler war deren Mittelstürmer
Steve Bull. Das war ein Hüne von Mann, eine Legende, der in 474 Spielen 250
Tore erzielt hat. Für mich lief es in diesem Spiel gut und das anschließende
Guinness nach dem Spiel auch.”
Im Anschluss wechselte
Rahner zurück zu den Wurzeln zum 1. FC Nürnberg, den Transfer fädelte Georg
Volkert ein. „Vor dem Gespräch mit dem damaligen Club-Präsidenten Michael A.
Roth nahm ich auf Anraten von Volkert den Ohrring raus, seitdem habe ich keinen
mehr. Sonst wird das nichts, hatte Volkert mir gesagt.” Trainer wurde Felix
Magath und dann lief es. Legendär, dass in dieser Saison im Spiel Club gegen
Unterhaching 22 Deutsche in der Startelf standen, was es heute nicht mehr gibt.
In der Spielzeit 1997/98 wurde es Platz drei in der 2. Liga, was damals den
direkten Aufstieg in die Bundesliga ermöglichte. Am Ende der Saison 1998/99
musste der Club als Drittletzter wieder aus der Bundesliga absteigen, weil im Heimspiel gegen den SC Freiburg die Nerven blank lagen und parallel Eintracht Frankfurt zu einem legendären 5:1-Erfolg über Kaiserslautern kam.
Helmut Rahner als Verteidiger beim 1. FC Nürnberg, hier im Zweikampf mit Stefan Kuntz vom VfL Bochum.
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Italienisches Frühstück: "Espresso und eine Marlboro"
Im Anschluss spielte
Rahner für kurze Zeit in Italien bei Reggina Calcio, aber auch dort blieb es
bei einem Intermezzo und ebenso für diese Station galt das gleiche für seinen
Abstecher nach Schottland. „Trotzdem war das eine super Zeit dort. Da gab es
jeden Morgen italienisches Frühstück. Das war ein Espresso und eine Marlboro.”
Co-Trainer bei Calcio war Fernando De Napoli, der von 1986 bis 1991 beim SSC
Neapel mit Diego Maradona zusammengespielt hat. “Fernando hatte im Auto eine
ganze Reihe von Fotoalben mit Unmengen von Fotos von Maradona, die er jedem
gezeigt hat. Über mich hat Fernando immer gesagt, dass ich eine rustikale,
deutsche Eiche bin, womit er meine Spielweise gemeint hat.”
In der Folge setzte
Rahner seine Karriere bei Preußen Münster fort. „Da hatte ich die Ehre mit
Christoph Metzelder zu spielen, den ich nach wie vor schätze.” Rahner holte
damals in einem Spiel einen Elfmeter raus, gepfiffen von Schiedsrichterin
Bibiana Steinhaus, was ein Novum war. „Münster war auch schön, da gab es
Grünkohl mit Pinkel. Das koche ich mir heute noch. Ich habe überhaupt von jeder
Station, bei der ich war, etwas mitgenommen.” Trainer in Münster war Klaus
Bergel, der später zu Rot-Weiss Essen wechselte und Rahner dorthin mitgenommen
hat. „Da wurde gut und vor allem pünktlich bezahlt.” Die ehemaligen beiden
Bundesligisten Münster und Essen waren zudem Traditionsklubs, die in ihrer
Region einen guten Namen hatten.
Krankenhauskeim beendete die Karriere als Spieler früh
Das Ende seiner Laufbahn sollte plötzlich und
unerwartet im Alter von erst 29 Jahren während seiner Zeit bei Rot-Weiß Essen
kommen. Wegen einer Verletzung am Sprunggelenk wurde Rahner im
Giradet-Krankenhaus in Essen operiert. Es gab allerdings Komplikationen, denn
Rahner fing sich dort einen sogenannten Krankenhauskeim ein und wurde für vier
Wochen ins künstliche Koma versetzt. Aufgrund dieser bakteriellen Infektion
musste er viel zu früh seine aktive Karriere im Jahr 2003 beenden. „Das war
natürlich ein Schock. Einen Kreuzbandriss oder einen Knochenbruch hatte ich
einkalkuliert, aber so etwas nicht. Ich habe alles versucht, wollte mich wieder
ran kämpfen, aber es klappte einfach nicht mehr. Vielmehr hatte ich noch
insofern Glück, dass mir der Fuß nicht abgenommen werden musste.” Seine Bilanz
bei deutschen Profiklubs lautet: 92 Bundesliga-Spiele (1 Tor), 92
Zweitliga-Spiele (1 Tor), 33 Regionalliga-Spiele (kein Tor). „Wäre mir das
nicht passiert, ich hätte mindestens noch 100 Profispiele mehr bestreiten
können. So sind es immerhin 217 geworden.”
Als Trainer machte sich Helmut Rahner einen ersten Namen im Nachwuchsbereich des 1. FC Nürnbergs (rechts daneben Florian Hinterberger).
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Rahner, der sich neben
dem Trainingsplatz auch oft im Kraftraum aufhielt und für seine körperliche
Fitness bekannt war, wollte aber weiter dem Fußball erhalten bleiben. Nach
zweijähriger Reha begann für ihn eine neue Karriere mit der Ausbildung zum Sport-und-Fitness-Kaufmann.
Dieter Nüssing, beim Club seit Jahrzehnten eine Institution, holte Rahner
zurück an den Valznerweiher. Von 2004 bis Juni 2012 war Rahner im Trainerstab
des 1. FC Nürnberg im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) und da besonders im Jugendbereich
für die A- und B-Jugend tätig. In dieser Zeit absolvierte der Abwehrmann die
Ausbildung zum Fußballlehrer. An diesem Lehrgang nahmen neben Rahner unter
anderem auch Mario Basler, Olaf Marschall, Jens Keller und Michael Rummenigge
teil.
In prominenter Runde absolvierte Rahner den DFB-Lehrgang zum Fußballehrer.
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In Düsseldorf absolvierte Rahner zudem noch die Ausbildung zum
Sportfachwirt, Sportmanagement und Sportmarketing. „Im Grunde bin ich ja
überqualifiziert”, lacht Rahner. Seine Wurzeln hat er aber nie vergessen. Unter
seiner Mithilfe konnte sein Heimatverein DJK Weingarts 2009 ein
Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Nürnberg bestreiten. In seiner Zeit als
Nachwuchstrainer bei der U19 beim Club erreichte Rahner mit seinen Teams
dreimal das Halbfinale im DFB-Pokal. Einmal scheiterte er gegen Hertha BSC
Berlin, zweimal am SC Freiburg, der damals vom heutigen Freiburger
Bundesliga-Trainer Christian Streich trainiert wurde. Mit der A- und der
B-Jugend wurde Rahner je einmal Deutscher Vizemeister. Viele Spieler, die heute
im Profibereich aktiv sind, durchliefen auch die Mannschaft von Rahner wie zum
Beispiel Marvin Plattenhardt.
Einstieg beim TSV Buch, Aufstieg mit dem SV Schwaig
2013 heuerte Helmut Rahner beim TSV Buch an und ist seitdem wieder eng verwurzelt mit dem hiesigen Amateurfußball.
Sebastian Baumann
Zur Saison 2013/14
übernahm Rahner das Traineramt beim Landesligisten TSV Nürnberg-Buch, das er
bis 2016 innehatte. „Wir haben mit dem aggressive Pressing-Stil für Furore
gesorgt. Dadurch hatten wir eine sehr erfolgreiche Ära. Das war auch eine
schöne Zeit und ich habe den Verein bekannter gemacht. Das war eine meiner
besten Stationen.” Zeitgleich war Rahner noch als Jugendkoordinator für den SV
Gutenstetten-Steinachgrund unterwegs. Aus dieser Zeit verbindet ihn eine
Freundschaft mit dem dortigen Mäzen Falko Weber.
Seit 2017 trainiert der Fußballlehrer den SV Schwaig mit dem Rahner in der Saison 2018/19 in die Landesliga als Meister der Bezirksliga Nord aufgestiegen ist. Dort geht es für die Schwaiger um den Ligaerhalt: „Wir haben das letzte Spiel gewonnen, das war wichtig. Geht es weiter, dann geht es darum den Klassenerhalt zu schaffen.” Die Pause aufgrund der Corona-Pandemie ist schmerzhaft und Rahner, der im Nürnberger Norden wohnt, sagte: “Mir wurden praktisch sämtliche Lebensinhalte abgeschnitten: Fußball, Gaststätten, Fitnessstudio - alles nicht möglich! Da fehlt einfach was, auch die sozialen Kontakte. Aber wir müssen uns alle an diese Kontaktbeschränkunken halten, damit wir die Pandemie überwinden. Wir können nur versuchen das Beste daraus zu machen.”
Aufstieg in die Landesliga: Trainer Helmut "Alu" Rahner feiert mit Schwaigs Torjäger Christoph Weber.
fussballn.de
In der Karriere als
Aktiver hat Helmut Rahner nur zwei Tore erzielt, beide für Uerdingen. „Eins
in Bochum und eins daheim gegen Wattenscheid. Das war jeweils ein Freistoß, der
quer gelegt wurde und ich habe draufgehauen. Ich konnte nur Freistoß.” Auch
wenn für Rahner nicht alles nach Wunsch gelaufen ist, so bleibt er demütig:
“Ich bin für alles dankbar und bin froh, dass ich im Fußball doch einiges
erreicht habe. Ich bin lange Zeit verwöhnt worden. Die vielen tollen Erlebnisse
möchte ich nicht missen. Es war mein Glück, dass ich Fußballspieler im
Profibereich geworden bin und daher glaube ich an den Fußballgott. Wir hoffen
natürlich alle, dass wir bald wieder auf den Fußballplatz zurückkehren können.
Aber die noch laufende Saison 2019/21 hat natürlich durch die langen
Unterbrechungen längst ihren Stellenwert verloren.” Das ist ein positives Fazit
eines Menschen, dessen Leben der Fußball bestimmt, auch in Zeiten von Corona. Auch am 50. Geburtstag gilt: Alu rostet nicht!