Sportrecht-Anwalt Felix Steinbach: "Die Vereine lassen sich schon sehr viel gefallen" - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 01.07.2021 um 17:00 Uhr
Sportrecht-Anwalt Felix Steinbach: "Die Vereine lassen sich schon sehr viel gefallen"
Die Saison 2019/20 wurde Mitte Mai abgebrochen, der Abbruch vom Verbands-Sportgericht des BFV bestätigt. Mit dem heutigen Tag beginnt offiziell das neue Spieljahr. Im Interview konfrontieren wir Rechtsanwalt Felix Steinbach noch einmal mit der Abwicklung des Spieljahres aus sportlicher und juristischer Sicht.
Von Marco Galuska
Felix Steinbach
privat
Der 30.6. ist nun auch erreicht, eine in vielerlei Hinsicht denkwürdige Saison ist zu Ende. Gehen wir gedanklich noch einmal auf den Platz: Welche Erinnerung bleiben da beim Fußballer Felix Steinbach?

Felix Steinbach:
Also aus Sicht des Fußballers bleiben tatsächlich kaum irgendwelche Gefühle. Die Saison wirkt gerade im Nachgang aus sportlicher Sicht irgendwie als hätte sie nicht stattgefunden. Es war so zerrissen alles seit dem Winter 2019/20, dass sich alles wie eine ewig lange Zeit mit völlig irrelevanten Testspielen anfühlt. Die letzten zwei Jahre sind sportlich irgendwie einfach weg.

Wie ist der Ausblick auf die kommende Saison – überwiegt die Vorfreude oder eher die Skepsis, dass es wieder ein Spieljahr mit Hindernissen gibt?


Steinbach:
Also ich freue mich riesig, dass es wieder losgeht und man wieder eine Perspektive hat. Bei den derzeitigen Prognosen und Meldungen aus Wissenschaft und Politik graut mir allerdings ein bisschen vor dem Herbst und Winter. Ich hoffe einfach, dass wir das ganze Thema Corona als Gesellschaft und in der Politik nun endlich gut geregelt bekommen und nicht neue Einschränkungen im Herbst und Winter auf uns zukommen.

Nun erleben Sie als Anwalt für Sportrecht den Amateurfußball auch aus einer weiteren Perspektive. Ende Mai hatten Sie im Interview betont, dass der Saisonabbruch zum gewählten Zeitpunkt „ein volles Eigentor“ gewesen sei. Insgesamt 32 Beschwerden gingen laut BFV ein, allesamt wurden vom Verbands-Sportgericht abgelehnt. Dann kann die Entscheidung des Präsidiums ja doch nicht so falsch gewesen sein, oder?

Steinbach:
An meiner Einschätzung zu diesem Thema hat sich ehrlich gesagt rein gar nichts geändert. Der Abbruch zu dem Zeitpunkt Mitte/Ende Mai war absolut nicht nachvollziehbar und auch juristisch eigentlich nicht haltbar. Ich verstehe nach wie vor nicht, wieso der BFV es sich hier selbst so schwer gemacht hat. Zunächst hatte man sich in München über ein Jahr lang mit allem, was man hatte, gegen einen vorzeitigen Abbruch gewehrt, um dann in den letzten Wochen doch noch den Abbruch zu verkünden. Das ist mir nach wie vor völlig unverständlich. Ich glaube, es hätte keine so große Aufregung gegeben, wenn der BFV die Saison einfach hätte auslaufen lassen. So wie das jetzt dann gelaufen ist, war es in meinen Augen schlecht abgewickelt und dazu juristisch auch schlichtweg falsch und angreifbar.

Eine Gruppe von 17 Vereine ging in München, vertreten von einer Anwaltskanzlei vor das Landgericht, hatte dabei aber keinen Erfolg. Das bestätigt doch letztlich, dass der BFV im Recht gehandelt hat?

Steinbach:
Ich kann hier nur aus zweiter Hand berichten, habe aber die Entscheidung gelesen. Das Landgericht München hatte bei dieser Beschwerde anscheinend nur über die Quotientenregelung als solche entscheiden müssen. Und die Quotientenregelung hat sicherlich auch ihre Schwächen, ist aber juristisch absolut vertretbar und stellt eine halbwegs sportliche Möglichkeit bei einem Abbruch dar. Daher ist an der Entscheidung des Landgerichts, so wie ich sie gelesen habe, auch nicht viel zu beanstanden. Ich glaube nur, dass sich das Landgericht nicht mit der aus meiner Sicht eigentlich problematischen Frage überhaupt befassen musste.

Und welche Frage ist das gewesen?

Steinbach:
Es geht um die Frage, ob der Abbruch an sich gerechtfertigt war. Damit hat sich das Landgericht leider nicht auseinandergesetzt bzw. nicht auseinander setzen müssen. Denn die Anwendbarkeit eines vorzeitigen Abbruchs hatte der BFV für die vergangene Saison explizit ausgeschlossen! Das kann man sogar in Pressemeldungen des BFV selbst noch nachlesen. Es hätte aus meiner Sicht daher um die Vereine gehen müssen, die nun z.B. abgestiegen sind, obwohl sie mit einem oder zwei weiteren Spiel ihren Quotienten entscheidend hätten verändern können. Und das waren nicht gerade wenige Vereine. Für diese Vereine ist es bitter, weil man im Juni definitiv noch Saisonspiele hätte spielen können und damit die Chance zum Klassenerhalt oder Aufstieg bestand. Diese Chance wurde durch den Abbruch genommen, obwohl das die Spielordnung des BFV eben nicht hergibt. Leider musste sich das Landgericht mit dieser Frage aber gar nicht beschäftigen.

Nun haben auch Sie auch Vereine vertreten. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Sie bessere Argumente haben, die man vor ein ordentliches Gericht bringen könnte, warum kam es letztlich nicht dazu?

Steinbach:
Weil die Vereine schlichtweg den Gang vor die ordentlichen Gerichte scheuen. Das ist ja trotzdem mit Kosten und einem gewissen Risiko behaftet. Und gerade bei kleinen Vereinen in den unteren Ligen sitzt das Geld nicht locker. Ich kann das aus Vereinssicht daher durchaus nachvollziehen, mache aber keinen Hehl daraus, dass ich gerne eine ordentliche Entscheidung zu dieser Frage bekommen hätte. Vom Verbands-Sportgericht des BFV haben wir zu dem Thema leider bis heute keine ordentliche Entscheidung erhalten. Dort wollte man die Sache wohl einfach aussitzen, was ich aus anwaltlicher Sicht wirklich hochbedenklich finde.

Wie meinen Sie das?

Steinbach:
Es gab vor zwei Wochen die Mitteilung, dass unsere Beschwerden beim Verbands-Sportgericht in München abgewiesen wurden. Eine Urteilsbegründung bekamen wir aber tatsächlich bis heute nicht, trotz Nachhakens! Das muss man sich mal vorstellen: Ein Gericht lehnt eine Beschwerde bzw. Klage ab, teilt dem Betroffenen aber nicht mit, mit welcher Begründung man zu der Entscheidung gekommen ist. Das finde ich schon sehr bedenklich. Eigentlich ist es eine Unverschämtheit, aber - das will ich auch sagen - in der Sportgerichtsbarkeit leider kein völliger Einzelfall. Vor den ordentlichen Gerichten würde das aber sicherlich aus rechtsstaatlichen Gründen schon nicht funktionieren. Ich habe da einen schönen Vergleichsfall aus einer anderen Sportart aktuell; da lief das verbandsinterne Gerichtsverfahren genauso ab und wir haben verloren. Im anschließenden Verfahren vor den ordentlichen Gerichten haben wir dann vollumfänglich gewonnen. Den Weg dorthin scheuen die Vereine aber eben oft.

Haben die Vereine eher Angst, dass die Nachbarvereine mit dem Finger auf den Querulanten zeigen oder scheitert es einfach an den Kosten?

Steinbach:
Ich glaube wirklich, es scheitert oft am Geld und vor allem am Mut der Vereine. Eine Stigmatisierung würde ich nicht erwarten. Jeder Verein hat das Recht, seine Interessen auch vor ordentlichen Gerichten zu vertreten und für seine Rechte zu kämpfen.

Profitiert der Verband davon, dass es die einzelnen Vereine nicht schaffen, sich zu organisieren – oder ist das ein zu negativ gezeichnetes Bild?

Steinbach:
Ich glaube nicht, dass es ganz so negativ ist. Aber die Vereine lassen sich aus meiner Sicht schon sehr viel gefallen. Es wird zwar viel geschimpft in sozialen Medien, aber echte Veränderung oder Verantwortung möchte dann kaum jemand übernehmen. Ich glaube aber, dass die Vereine auch selbst eine gewisse Schuld trifft, wenn man sich viel beschwert, aber nicht mitarbeitet, um Probleme zu beheben. Zugegeben bietet der Verband aus meiner Sicht oft nur „Alibi-Angebote“ zur offiziellen Mitarbeit an, aber dann müsste man als Verein eben mal auch selbst andere Wege suchen. Das tun aber nur die wenigsten. Es ist aber andererseits auch verständlich, wenn einige Leute einfach nur kicken wollen.

Schon 2019, also noch vor dem Start der von der Pandemie betroffenen Saison, hatte unser Kollege Sebastian Baumann in seinem Kommentar zu den Irrungen und Wirrungen rund um die Bezirksliga-Relegation gefordert: „Der BFV muss mit dem Verdacht der Willkür aufräumen.“ Wie schätzen Sie die Akzeptanz der Entscheidungen des Verbandes bei den Vereinen ein?

Steinbach: Das wird einfach hingenommen. Den meisten wird es egal sein, weil sie aktuell nicht betroffen sind. Und die Solidarität zwischen den Vereinen ist aus meiner Erfahrung einfach auch gering. Es wird vielfach heißen „jetzt muss auch mal gut sein“. Ich kann das nachvollziehen, aber man muss sich immer die Frage stellen, ob man das auch sagen würde, wenn man selbst von einem Abstieg betroffen wäre, der letztendlich abgewendet hätte werden können, wenn der Verband sich auch nur an das gehalten hätte, was er versprochen hat. Und das ist eben nicht geschehen. Einigen Vereinen ist die Möglichkeit einer sportlichen Entscheidung genommen worden, obwohl diese sportliche Entscheidung absolut möglich gewesen wäre, ohne an den Rahmenbedingungen etwas zu ändern.

Gerade auf DFB-Ebene wurden zuletzt die Stimmen laut, dass dringend Reformen hermüssen. Welche Ansätze sehen Sie als dringend reformbedürftig?

Steinbach: Das wäre jetzt aber ein neues Thema, über das wir Stunden sprechen könnten (lacht). Ich sehe aber tatsächlich viel Bedarf, da der Amateur- und Breitensport neben dem Profisport immer weiter ins Hintertreffen gerät. Das merken die Menschen und lassen sich mittlerweile auch durch „Sonntagsreden“ nicht mehr besänftigen. Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass der Profisport scheinbar noch nicht erkannt hat, dass er die Basis immer weiter verliert und damit langfristig große Probleme auftreten werden. Reformbedürftig wäre aus meiner Sicht aber die finanzielle Förderung des Breiten- und Amateursports. Hier ist kaum noch Solidarität zu erkennen und der Amateursport ist immer mehr auf sich gestellt. Das macht im Ergebnis einfach auch viele Vereine kaputt. Zudem müsste man sicherlich an der Entfremdung des Profisports vom Amateurbereich arbeiten. Was an der Basis abgeht, wissen die meisten im Profigeschäft doch gar nicht. Da geht es auch um ganz andere Dinge und man hat noch einmal einen ganz anderen Druck. Daher ist das nicht der Vorwurf an den Profibereich, vielmehr müsste das aus meiner Sicht von Verbandsseite und auch aus der Politik heraus besser gesteuert werden. Da haben wir derzeit aber einen noch zu großen Unterschied bei der Lobbyarbeit, die dabei immer relevant ist.

Im kommenden Jahr steht das große Wahljahr im BFV und DFB an. Nachdem die Pandemie-Saison einiges hochgekocht hat - erwarten Sie einen generellen Umbruch oder wird sich das wieder legen und sich nicht allzu viel ändern?

Steinbach: Ich hoffe natürlich, dass man zumindest die ersten Schritte in die richtige Richtung gehen wird. Wenn ich mir die Entwicklungen der letzten Jahren ansehe, bin ich da aber etwas skeptisch. Es wird tatsächlich darauf ankommen, wie gut die Lobbyarbeit der „Reformer“ Früchte trägt, und ob sich hier verschiedene Reform-Initiativen zusammenfinden können. Ansonsten dürfte ein echter Umbruch sicherlich sehr schwer werden. Da geht es auch eben um andere Themen und nicht mehr um den Sport als solchen. Das mag für Fußballromantiker sicherlich bitter sein, aber das ist eben die Realität. Und wenn man daran etwas ändern möchte, dann muss man auch bereit sein, die steinigen Wege zu gehen. Hierfür gibt es mittlerweile viele gute Ansätze, aber ob die Power letztlich reichen wird, das muss man abwarten.

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Zur Person

Felix Steinbach ist nicht nur leidenschaftlicher Fußballer und Funktionär. Der 33-Jährige Nürnberger ist auch Rechtsanwalt für Sportrecht und auch Vorsitzender des Fachprüfungsausschuss „Sportrecht“ der Rechtsanwaltskammern Nürnberg und Bamberg.


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