Martin Hermann im Interview: "Wir haben uns gefreut wie F-Jugend-Spieler!" - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 10.11.2021 um 07:00 Uhr
Martin Hermann im Interview: "Wir haben uns gefreut wie F-Jugend-Spieler!"
INTERVIEW Eine Spielabsage in Wendelstein, ein kurioses 1:1 in Feuchtwangen mit dem Torhüter als Sturmspitze - der ASV Zirndorf macht die wohl schwierigste Phase in der seit 2009 anhaltenden Ära unter Martin Hermann durch. Im fussballn.de-Interview der Woche spricht der Coach über die Hintergründe, Nachwirkungen von Corona und wagt einen Blick in die Zukunft in Zirndorf, Fürth und seine eigene Trainerlaufbahn.
Von Marco Galuska
Martin Hermann erlebt derzeit die schwierigste Phase in seinen zwölf Jahren beim ASV Zirndorf.
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Wo liegt der Spielerpass von Martin Hermann aktuell?

Martin Hermann:
Beim TSV Ammerndorf, da habe ich zuletzt in der AH gespielt.

Die Frage liegt ja fast schon auf der Hand aufgrund des extremen personellen Engpasses...

Hermann:
Ja, das stimmt. Ich habe meinen Bandscheibenvorfall in den Griff bekommen, da war ich wirklich am überlegen, ob ich den Pass für den Notfall holen sollte. Für ein paar Minuten könnte das schon gehen, ein paar saubere Bälle spielen, das kann ich schon einschätzen. Andererseits bin ich jetzt 58, da macht man das nicht mehr.

Torwart Michael Wagner fehlte dem ASV Zirndorf lange Zeit, am vergangenen Wochenende lief er der Personalnot geschuldet im Sturm auf.
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Beim 1:1 in Feuchtwangen war Torwart Michael Wagner der elfte Mann, der dann im Sturm aufgelaufen ist. Wie muss man das Spiel vom vergangenen Wochenende einschätzen?

Hermann:
Wir haben uns einen Kodex in der Kabine auferlegt, dass wir alle mehr als die 100 Prozent geben, auch ich als Trainer. Ich habe den Torwart warmgemacht, alle sind noch enger zusammengerückt. Aufgrund der zweiten Halbzeit haben wir uns den Punkt sogar verdient, da haben wir richtig gut Fußball gespielt. Wenn man bedenkt, dass ich die Aufstellung mehrmals umstellen musste, dass dann Michi Wagner sich nach seinem Zehenbruch bereit erklärt im Sturm zu spielen - und das wirklich gut gemacht hat - dann ist das ein Punkt der Moral, der aller Ehren wert ist. Freilich hatten wir dann auch das Glück gebraucht, mit dem super Freistoß, aber das gehört auch mal dazu.

Woher kommt die Personalnot der letzten Wochen?

Hermann:
Eigentlich haben wir einen 23-Mann-Kader. Das sollte unter normalen Umständen ja reichen. Wir haben aber leider einige Langzeitverletzte. Und jetzt kam dann alles zusammen: Zahn-OP, Mandelentzündung, Urlaub, Beruf - alles berechtigt! Wir setzen die Gesundheit mit Kranken auch nicht aufs Spiel, das kann ich als Trainer nicht verantworten.

Natürlich kommen wir an diesen Punkt an die Spielabsage in Wendelstein zwei Wochen zuvor. Da ging das Echo auseinander, einige hatten vom Gegner mehr Verständnis gefordert...

Hermann:
 Vorne weg will ich gleich sagen, dass ich ein überragendes Verhältnis zu meinem Kollegen Andi Speer habe. Wir telefonieren jede Woche und haben offen miteinander gesprochen, ich war ja sogar bei ihm noch im Büro. Letztlich waren wir uns einig, dass wir als Angestellte des Vereins das nicht allein entscheiden, sondern die Vereinsführung einbeziehen müssen. Ich bin da selbst geteilter Meinung - Wendelstein kann ja nichts dafür, dass wir an dem Wochenende keine Mannschaft stellen konnten. Ich habe jeden einzeln bei uns abgefragt. Fakt ist: Wir hätten sechs Spieler gehabt, dazu noch drei Verletzte und zwei Kranke. Das hat dann mit Sport nichts zu tun, wenn man nach ein paar Minuten vom Platz gehen muss - auch wenn wir uns damit die Strafe für den Nichtantritt gespart hätten - das kann man auch den Zuschauern nicht vermitteln. Unglücklich war sicher auch, dass es hieß, dass wir das Spiel noch in diesem Jahr nachholen müssten. Das dann Anfang Dezember zu spielen, das ist nicht glücklich, deshalb kann ich Wendelstein auch nicht zu hundert Prozent böse sein. Der Wendelsteiner Vorstand hat uns ja auch eine Nachricht geschrieben, dass sie mit Bauchschmerzen der Verlegung nicht zustimmen, das akzeptiere ich. Nur das Argument, dass sie in der Vergangenheit schon andere Erfahrungen in so einem Fall gemacht haben, interessiert mich da nicht, weil das nur eine Sache zwischen Wendelstein und Zirndorf ist. Ich denke, ich hätte es umgekehrt mit meinem Vorstand hingekriegt. Aber man sollte die ganze Sache auch insgesamt nicht zu hoch hängen.

Mit Trainerkollege Andreas Speer pflegt Martin Hermann ein sehr gutes Verhältnis.
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Wie kann man sich aktuell das Training in Zirndorf vorstellen?

Hermann:
Es schwankt von der Anzahl. Wir hatten letzte Woche beispielsweise eine Fitnesseinheit mit 18 Mann, am Donnerstag waren es aber aufgrund von Krankheit und Beruf nur zehn. Ich habe ja mal gesagt, dass ich unter zehn Spieler nicht trainiere. Unter normalen Umständen wäre das auch so, aber man muss sich damit arrangieren.

Wie geht's nun weiter bis zum Winter mit der Personalsituation?

Hermann:
Es wird in den drei Spielen sicherlich nicht deutlich besser. Kevin Riemel fällt mit einer richtigen Grippe aus, Marcus Schmitt und Patrick Zwingel sind aber wieder dabei. Wir werden auch am Samstag nicht viele Auswechsler haben. Aber ich sage schon jetzt, dass wir das Spiel nicht leichtfertig wegen dem Platz absagen werden. Ich stehe für Fairplay! Wenn ich elf gesunde Spieler habe, werden wir spielen!

Aber in der Winterpause sollte sich die Lage doch normalisieren, oder?

Hermann:
Ja, wir haben eine ewig lange Pause bis Ende März. Da dürften die meisten Spieler zurückkommen. Normalerweise müssen wir nicht nachjustieren, auch wenn wir für die Offensive die Augen offen halten werden. Wenn wir komplett sind, sind wir stark genug für die Liga.

Ist der Personalengpass die schwierigste Zeit in zwölf Jahren beim ASV Zirndorf?

Hermann:
Absolut! Man sagt mir ja gerne nach, dass ich tiefstaple, aber ich habe es kommen sehen - wobei so extrem, wie in den letzten Wochen war, habe ich das noch nicht erlebt. Und man muss ja auch sagen, dass das für die Spieler genauso schwierig ist, wenn man mit einer absoluten Notelf zum Spiel kommt. Dementsprechend groß war der Jubel jetzt nach dem 1:1 in Feuchtwangen. Da haben wir uns alle wie F-Jugend-Spieler gefreut, weil das in der Situation ein ganz extrem wichtiger Punkt für uns war.

Gehen wir doch mal ins andere Extrem: Was waren die schönsten Momente als Trainer beim ASV Zirndorf?

Hermann:
Da gab es schon einige Highlights - natürlich die zwei Aufstiege, die Relegation gegen Kornburg, die wir gewonnen haben. Auch das Erreichen der Relegation gegen Baiersdorf oder der Gewinn im Kreispokal - es gab schon einige erfolgreiche Tage, auf die man gerne zurückschaut. Auch der Abstieg aus der Landesliga mit 40 Punkten war nichts, wofür man sich verstecken müsste!

Aufstieg in die Landesliga nach erfolgreicher Relegation gegen Kornburg 2012.
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Vor rund zwei Jahren haben wir über einen Platz an der Tabellenspitze der Bezirksliga Süd gesprochen - weit über den Erwartungen. Nun ist es aktuell Platz zehn - hinter den Erwartungen?

Hermann:
Ja, das muss man so deutlich sagen, wir wollten nach der letzten Saison schon wieder oben mitmischen, weil am Personal hat sich ja eigentlich kaum etwas geändert. Allerdings ist das auch alles recht leicht erklärbar. Klar, man kann jetzt diskutieren, dass der Trainer schon zu lange da ist. Aber ich hinterfrage mich schon genau und habe immer noch das Gefühl, dass es mit der Mannschaft funktioniert. Wir stellen trainingstechnisch immer wieder etwas um, der Zusammenhalt ist absolut da. Da gibt es keine Vorwürfe! Freilich heißt es, dass die Tabelle nicht lügt. Das wird auch insgesamt so sein. Allerdings wüsste ich einige Beispiele, wo man schon vom fehlenden Spielglück sprechen kann. Auch gegen Aufkirchen neulich haben wir das lange Zeit richtig gut gemacht, bekommen aber mit dem ersten Schuss das Gegentor. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass wir diese starke Defensive, die uns ausgezeichnet hat, in dieser Saison nicht haben. Wir waren auch immer für ein Tor gut, auch das ist in dieser Saison nicht so.

Corona hat alle mehr oder weniger getroffen - den ASV Zirndorf mehr?

Hermann:
Wir wollen da jetzt kein Mitleid haben, aber es hat uns sicherlich extrem gebeutelt. Es waren fast alle infiziert. Wir konnten lange Zeit kein richtiges Training machen, da waren viele Themen: Kranke, Hochzeit, Geburtstage - aber dennoch kein Vorwurf, das ist alles menschlich! Aber wie gesagt, die Stärke defensiv und offensiv von der Zeit vor Corona haben wir bisher nicht mehr erreicht.

Auch das alljährliche Duell gegen die SpVgg Greuther Fürth fehlte in diesem Jahr.
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Neben dem sportlichen Aspekt: In diesem Jahr musste erneut der Zirndorfer-Cup und das ansonsten traditionelle Spiel gegen Greuther Fürth ausfallen...

Hermann:
Das ist traurig, dass wir das auch im zweiten Jahr so akzeptieren müssen. Das waren immer Topveranstaltungen! Greuther Fürth wäre gerne wieder gekommen, das war alles geplant - als Bundesligist wäre das wieder etwas ganz Besonderes gewesen! Der Zirndorfer-Cup war immer ein Treffen mit den Nachbarvereinen vor der Saison. Uns fehlt das nicht nur aus sportlicher Sicht, auch finanziell und gesellschaftlich sind solche Absagen Verluste.

Stichwort Greuther Fürth: Auch am Ronhof erlebt man derzeit keine leichte Zeit. Fiebert man als ehemaliger Spieler noch besonders mit?

Hermann:
Ich hab zwar keine Dauerkarte, weil sich die Spiele meist überschneiden, aber ich verfolge es natürlich genau und fiebere voll mit, weil ich mich in die Situation absolut reinversetzen kann. Natürlich fehlt die große Qualität im Kader, aber auch das Spielglück, wie in Leipzig oder Köln, wo man höher hätte führen können. Und das jetzt gegen Frankfurt war natürlich ein riesiger Nackenschlag. Es fehlt das Erfolgserlebnis.

Wo steht das Kleeblatt am Ende der Saison?

Hermann:
Die Leistung war bisher ja ganz in Ordnung, aber mit nur einem Punkt aus elf Spielen wäre der Klassenerhalt aus heutiger Sicht mehr als eine Überraschung. Man muss offen und ehrlich sagen, dass die Relegation das absolut höchste der Gefühle wäre und der Rückstand schon gewaltig ist. Um das aufzuholen, bräuchte man eine echte Siegesserie. Aber mehrere Spiele hintereinander zu gewinnen, das schafft in der Bundesliga außer den Bayern doch kaum eine Mannschaft. 

Wo steht der ASV Zirndorf am Saisonende?

Hermann:
Wir wollen zunächst einmal die drei Spiele bis zum Winter mit elf Typen auf die Wiese bringen. Das Kollektiv muss stimmen, das haben wir in Feuchtwangen gezeigt. Daher möchte ich auch nicht vom Durchmogeln sprechen. Bis zum 26. März, wenn es nach der Winterpause weitergeht, ist es noch lange hin. Wir müssen fleißig sein, brauchen das Quäntchen Glück, aber ich sehe uns am Ende schon auf einem einstelligen Tabellenplatz.

Noch ein Jahr beim ASV Zirndorf? Die Zukunft von Martin Hermann soll in der Winterpause besprochen werden.
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Und was macht der Trainer Martin Hermann nach der Saison?

Hermann:
Das ist noch offen. Wir werden es im Winter diskutieren. Ich denke, dass ich höchstens noch ein Jahr mache, vielleicht ist auch nach der Saison Schluss. Es ist schon sehr anstrengend, weil sich das Denken und die Prioritäten verändert haben. Für mich gilt in der Bezirksliga noch immer die Reihenfolge: Familie, Beruf, Fußball. Ich gehe immer noch gerne ins Training, weil es nach wie vor Spaß macht - und bislang hat sich auch keiner beschwert. Wenn ich das merke, dass es keinen Spaß mehr macht, höre ich sofort auf!

Und der ASV Zirndorf bleibt die letzte Trainerstation?

Hermann:
Zu 99,9 Prozent! Man soll ja bekanntlich niemals nie sagen, aber ich kann es mir nicht anders vorstellen.

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