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Artikel veröffentlicht am 23.03.2022 um 07:00 Uhr
Matthias Janousch im Interview:
Ich wollte einfach Menschen in Not helfen!
INTERVIEW
Über ein Jahrzehnt lang hat Matthias Janousch als freier Mitarbeiter und Kollege den hiesigen Amateurfußball in Text und Bild intensiv begleitet. Seit dieser Saison hat sich der 44-Jährige bewusst eine Pause vom runden Leder genommen. Darüber, aber vor allem über eine bemerkenswerte Hilfsaktion aus aktuellem Anlass spricht Janousch im fussballn.de-Interview der Woche.
Von
Marco Galuska
Übergabe erledigt: Matthias Janousch (blaue Jacke) fuhr einen Hilfstransport aus Roth an die ukrainische Grenze.
privat
Hallo Matthias, man hat dich nun schon länger nicht mehr am Sportplatz gesehen. Hast du das Interesse und die Lust am Fußball verloren?
Matthias Janousch (44):
Ja, das muss ich leider so sagen! Da ging es mir wie so vielen in Corona-Zeiten. Ich habe wirklich den Spaß am Fußball verloren.
Wie kam das? Du bist ja seit ewigen Zeiten im Fußball zu Hause gewesen - ob als Spieler oder dann noch viele Jahre journalistisch!
Janousch:
Eigentlich war es vor allem der Profifußball, der mich wirklich schon seit einiger Zeit gewaltig gestört hat. Wenn man so Dinge sieht, dass die Fußball-WM nach Katar vergeben wird, die Bundesliga seit Jahren keinen wirklichen Wettbewerb mehr um die Meisterschaft hat - daran aber auch rein gar nichts geändert wird - und dann noch diese ewigen Querelen im DFB mit Koch und Konsorten erlebt - das geht für mich gar nicht, damit kann ich mich nullkommanull identifizieren! Und dann schreien schon bei der ersten Coronawelle plötzlich mehrere Profivereine, dass ihnen die Insolvenz droht. Das alles hat dann eben auch gewisse Auswirkungen auf den Amateurfußball. Ich habe für mich beschlossen, dass ich da erst einmal einen Cut brauche.
Die Pause während Corona hat den Entschluss noch reifen lassen, dass du im vergangenen Sommer aufgehört hast?
Janousch:
Ja, natürlich merkt man auch, dass man die Sonntage ganz entspannt nutzen kann, wenn man nicht immer durch den Spielplan geblockt ist. Da kann man dann einfach auch Einladungen zusagen, die man an den Spieltagen immer hat ablehnen müssen. Man hat Zeit für viele andere Sachen.
Warst du in dieser Saison noch bei keinem Spiel der DJK Falke?
Janousch:
Richtig! Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich die Leute nicht mehr mag. Es ist nach wie vor mein Heimatverein und ich bin da auch noch im Falke-Chat drin. Die wissen auch, dass sie mich anrufen können, wenn etwas ist. Beispielsweise steht am 18. Juni ein Spiel zur 100-Jahr-Feier des Vereins an, da wird eine Falke-Auswahl gegen ein Allstar-Team spielen, das ich derzeit noch zusammenstelle. Also die Freundschaften zu den Leuten aus dem Amateurfußball sind nach wie vor da.
Nun gab es schon drei Monate vor dem geplanten Jubiläumsspiel eine bemerkenswerte Aktion, an der auch die DJK Falke beteiligt war. Du hast in der vergangenen Woche einen Hilfstransport an die ukrainische Grenze gefahren. Wie kam es dazu?
Janousch:
Ich bin sehr überrascht gewesen, dass es in der heutigen Zeit noch einen Krieg in Europa geben würde. Natürlich beschäftigt man sich damit. Ich habe mir dann die Frage gestellt, was ich tun kann, was ich selbst leisten kann, um das Leid dort zu lindern. Ich habe online geschaut, ob Fahrer gesucht werden. Arbeitskollegen haben mir davon erzählt, dass die Caritas in Roth Personen sucht, die Hilfsgüter transportieren. Ich habe dann dort angerufen und den Ablauf erfragt. Doch es hat sich herausgestellt, dass nicht nur Fahrer, sondern auch Autos mit entsprechend Stauraum benötigt werden. Mit einem PKW zu fahren, das macht bei den benötigten Mengen keinen Sinn. Also war ich auf der Suche nach einem Mitfahrer und einem Transporter.
Und beides ließ sich in kurzer Zeit auftreiben?
Janousch:
Der Mitfahrer schon. Thomas Gröschel, ein guter Kumpel von der DJK Falke, hat mir gleich zugesagt, dass er dabei ist. Nur der Transporter war nicht so leicht zu bekommen, weil fast alle Mietwagenunternehmen viele Länder in Osteuropa im Kleingedruckten ausgeschlossen haben. Und das wohl nicht erst seit Kriegsbeginn. Wir haben da auch über den Falke-Chat alle möglichen Kanäle angezapft. Am Ende hat dann Thomas über einen beruflichen Kontakt die Zusage bekommen, dass wir einen Transporter anmieten können.
Wer hat den Transporter und Benzin gezahlt?
Janousch:
Das war eine große Initiative, die aus dem Falke-Chat heraus entstanden ist. Da hat die 1., 2. und AH-Mannschaft sowie einige Ehemalige sich beteiligt. Die waren begeistert, dass wir das machen. In wenigen Stunden ist da so viel zusammengekommen, so dass wir auch zweimal hätten fahren können!
Nach dem Roland Bader Cup 2019 bei der DJK Falke konnte Initiator Matthias Janousch den Scheck an Roland Bader übergeben, am Ende sprangen sogar 17.000 Euro heraus.
DJK Falke hilft
Bemerkenswert! Bei der DJK Falke ist es ja nicht die erste Hilfsaktion. Schlägt dort eine besonders soziale Ader?
Janousch:
Es gibt schon viele, die eine soziale Ader haben. Ich glaube, das ist überall so. Das Problem ist in den meisten Fällen aber, dass man es dann auch mal umsetzen muss. Es braucht einen, der den Hut auf hat und Dinge vorantreibt. Dann finden sich meist auch viele, die mitziehen. So ist 2014 die Initiative "DJK Falke hilft" entstanden. Wir haben 12.000 Euro für die Elterninitiative krebskranker Kinder in Nürnberg eingespielt. Als dann Roland Bader seinen Unfall hatte, haben wir 2019 den Roland-Bader-Cup gespielt mit einem Erlös von letztlich 17.000 Euro. Da sieht man, was man erreichen kann, wenn man zusammenhilft!
Das sind die schönen Seiten, die der Fußball nach wie vor hat...
Janousch:
Absolut! Ich will das noch einmal betonen: Der Großteil meines Freundeskreises kommt aus dem Fußball. Ich will auch nicht sagen, dass ich für immer die Lust am Fußball verloren habe. Ich lese mir auch noch den ein oder anderen Spielbericht durch, richte aber meine Freizeitplanung derzeit einfach nicht mehr danach. Fest steht, dass der Profifußball, so wie er existiert, mich nicht mehr als Fan haben will und mir der Profifußball auch umgekehrt nichts mehr gibt.
Nimm uns mit auf deine "Freizeitplanung" in der vergangenen Woche mit dem Hilfstransport in Richtung der Ukraine.
Janousch:
Den Transporter haben wir am Dienstagabend in Nürnberg abgeholt und dann mit sechs Helfern bei der Caritas in Roth beladen mit Windeln, Spielzeug, Kleidung, Verbandskästen und vielen anderen Sachen, die in der Ukraine derzeit dringend benötigt werden. Am Mittwoch sind wir um 7.30 Uhr gestartet und waren nach 13 Stunden bei der Unterkunft, die von der Caritas für uns in Medyka in Polen, nahe der Grenze zur Ukraine, reserviert wurde. Am nächsten Früh sind wir gegen 5 Uhr aufgestanden und waren um 7.30 Uhr am Grenzübergang in der sogenannten "Safe Zone", wo der Treffpunkt mit ukrainischen Kontaktpersonen zur Übergabe ausgemacht war.
Wie lief die Verständigung vor Ort?
Janousch:
Mit Händen und Füßen. Wir hatten ein offizielles Schreiben dabei und entsprechende Aufkleber auf dem Fahrzeug, die uns als Hilfstransporter gekennzeichnet haben. Das hat uns geholfen, dass wir überhaupt in die Transitzone reingekommen sind, wo praktisch der Umschlagplatz für die Hilfsgüter ist. Wir hatten Telefonnummer und Kennzeichen zu unseren Kontaktleuten, die aus Lwiw kamen. So haben wir uns dann dort gefunden und die Ware in zwei Kleintransporter umgeladen. Die haben sich gefreut wie sonst was!
Vollbepackt wurden die Transporter der ukrainischen Kontaktleute, welche die Waren nach Dnipro gefahren haben.
privat
Wie muss man sich die aktuelle Lage an der Grenze vorstellen?
Janousch:
Wir sind selbst nicht in die Ukraine eingereist, denn das hätte mehrere Stunden, wenn nicht sogar Tage gedauert. Wir waren in der Safe Zone, wo wir durch die Caritas angekündigt waren. Dort sieht man Transporte aus allen Herren Ländern. Man stellt seinen Transporter ab, von der ukrainischen Seite kommen die vereinbarten Transporter, man sucht, findet sich und dann wird umgeladen. Das läuft alles recht gut koordiniert ab, dank der Hilfsorganisationen.
Mit welchem Gefühl fährt man dann die Strecke zurück?
Janousch:
Ich will da nicht von einem Glücksgefühl sprechen. Es fühlt sich aber gut an, wenn man weiß, dass man das Richtige getan hat. Wir haben erfahren, dass unsere Ladung nach Dnipro transportiert worden ist. Wir sind die 1100 Kilometer dann durchgefahren, haben zwei Stopps zum Essen gemacht und waren am späten Donnerstagabend wieder in Nürnberg.
Welche Eindrücke sind von der Fahrt geblieben?
Janousch:
Man sieht extrem viele Leute, die zu Fuß die Ukraine verlassen wollen. Jede Menge Reisebusse stehen in Polen, um die Flüchtlinge mitzunehmen. Ich muss sagen, dass ich überrascht war, dass auf der Strecke nur relativ wenig Militär zu sehen war. Aber ehrlich gesagt, fehlt mir da trotzdem der Einblick, um das Geschehen beurteilen zu können. Einen Tag später gab es ja die Nachricht, dass der Flughafen von Lwiw angegriffen wurde. Der ist nicht allzu weit von der Grenze entfernt. Ich habe aber persönlich keine Gefahr für uns selbst gesehen. Ich wollte einfach den Menschen helfen, nicht mich selbst in Lebensgefahr bringen.
"Safe Zone": Zahlreiche Hilfstransporter in Polen an der Grenze zur Ukraine.
privat
Welchen Tipp hast du, wenn jemand helfen möchte?
Janousch:
Geldspenden und Sachspenden von nicht verderblicher Ware sind natürlich weiterhin willkommen. Man sollte sich am besten bei den Hilfsorganisationen genauer informieren, welche Hilfsgüter derzeit speziell benötigt werden. Wenn jemand einen Transporter fahren möchte, sollte er dies besser nicht auf eigene Faust ohne entsprechende Dokumente machen, sonst wird es extrem zeitaufwendig. Auch hier wäre mein Rat, am besten den Weg über die Caritas oder andere Organisationen zu gehen.
Wie war das Feedback in der Falke-Gruppe und im Freundeskreis nach eurer Fahrt?
Janousch:
Ich hatte ein paar Bilder im Status gepostet, um zu zeigen, dass man was tun kann. Die Resonanz war wirklich überwältigend und hat viele bewegt. Die meisten konnten es gar nicht glauben.
Sieht man dich dann eher wieder an der Grenze zur Ukraine oder am Sportplatz?
Janousch:
(lacht)
Also die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass ich noch einmal fahre. Aber am 18. Juni bin ich spätestens wieder am Sportplatz!
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