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Artikel veröffentlicht am 25.05.2022 um 07:00 Uhr
Wolfgang Lutz im Interview: "Ich habe noch nie eine solche Situation erlebt"
Als Trainer kann Wolfgang Lutz inzwischen auf insgesamt 30 Jahre an Erfahrung zurückblicken. Eine derart verrückte Situation wie im Moment hat der scheidende Trainer des SV Poppenreuth dabei aber noch nie erlebt. Im fussballn.de-Interview blickt der 60-jährige Übungsleiter auf die aktuelle Lage, eine mögliche, unfreiwillige Verlängerung seines Trainerjobs, sowie auf tolle Momente innerhalb seiner langen Laufbahn.
Von Michael Watzinger
Wolfgang Lutz beendet nach 30 Jahren seine Laufbahn als Trainer - eine Verlängerung in Form der Abstiegsrelegation will er gerne vermeiden.
Jasmin Stark
Hallo Wolfgang, am vergangenen Sonntag haben deine Poppenreuther Jungs einmal mehr den von dir so gepriesenen besonderen Charakter nachgewiesen, als sie trotz 30-minütiger Unterzahl und eines Zwei-Tore-Rückstands noch zu einem 5:5-Remis bei Vatanspor gekommen sind. Wie hast Du dieses Spiel erlebt?

Wolfgang Lutz (60):
Wir haben in diesem Spiel einmal mehr bewiesen, dass die Moral unserer Truppe absolut intakt ist! Natürlich war für dieses Ergebnis von uns gerade hinten raus eine wahnsinnige Energieleistung vonnöten, aber die Jungs haben das Remis unbedingt gewollt! Insgesamt haben wir uns dann einfach auch spät belohnt, nachdem wir in der Anfangsphase einige hochkarätige Chancen liegen gelassen hatten. Im Ganzen betrachtet war es ein toller Auftritt, daher Respekt an meine Spieler!

Trotz halbstündiger Unterzahl und Rückstand ließ sich der SV Poppenreuth (in weiß) nicht von Vatanspor abschütteln und holte dank eines furiosen Schlussspurtes ein 5:5-Unentschieden.
Jasmin Stark

Trotz des hart erkämpften Punktes und dieser guten Leistung hat sich eure Lage am Wochenende sogar noch einmal verschlechtert - dir droht zum Abschluss deiner Trainerlaufbahn tatsächlich in Form der Relegation eine Verlängerung. Wie geht ihr das letzte Spiel gegen die SGV Nürnberg-Fürth 1883 an?

Lutz:
Auf jeden Fall mit der gleichen Haltung und dem unbedingten Willen vom Sonntag! Wir können letztlich nichts anderes machen, als das Spiel wie ein Finalspiel anzugehen und dann zu schauen, was dabei herauskommt. Vor ein paar Wochen habe ich gesagt, dass ich keinen Bock auf Relegation habe...und natürlich würde ich sie nach wie vor gerne vermeiden. Mir ist dabei aber nicht bange, ich würde da angesichts des Charakters meiner Jungs zuversichtlich herangehen. Vielmehr geht mein Blick dann schon eher in Richtung der neuen Saison, weil dann gut drei Wochen Regeneration fehlen würden.

Fernab der sportlichen Entscheidungen auf dem Platz war am vergangenen Freitagnachmittag natürlich der formelle Nichtantritt der Turnerschaft Fürth das zentrale Thema innerhalb der Kreisliga Nürnberg. So kam mit der DJK Eibach einer eurer Kontrahenten kampflos zu drei Zählern und machte den Klassenerhalt klar. Wie hast du die Entscheidung wahrgenommen?

Lutz:
Mein erster Gedanke war: Das darf doch jetzt nicht wahr sein! Es ist für mich persönlich absolut nicht nachvollziehbar, wie man so kurz vor dem Saisonende einen derartigen Entscheid treffen kann und damit faktisch die Lage im Abstiegskampf beeinflusst! Das hat mit den Eibachern, die ich wirklich gerne mag, an sich auch überhaupt nichts zu tun, da geht es mir ums Prinzip: Es hätte eine bessere Lösung gefunden werden müssen!

Anders als beim direkten Aufeinandertreffen musste die DJK Eibach (in schwarz) am Wochenende nicht für ihre Punkte arbeiten. SVP-Coach Wolfgang Lutz kann jene Entscheidung seitens des Verbandes nicht nachvollziehen.
Jasmin Stark

Überhaupt verlagerte sich das Geschehen innerhalb der Kreisliga in den letzten Wochen immer weiter vom sportlichen Geschehen weg. Hast du schon einmal eine derart unklare Situation so kurz vor dem Saisonende erlebt?

Lutz:
Ganz ehrlich, das habe ich nicht. Ich habe in meinem Trainerleben viele Erfolge feiern dürfen, habe auch einige Rückschläge hinnehmen müssen - aber alles war im sportlichen Bereich und damit dann auch völlig ok. Jetzt kommen ständig neue Themen und Geschichten abseits des Feldes auf, die Gerüchteküche brodelt. Dadurch dass auch noch recht viele Mannschaften betroffen sind, hätte ich mir klare, transparente Entscheidungen gewünscht. So hat alles eine andere, größere Dimension als das, was ich bislang erlebt habe.

In all dem Trubel geht dabei fasst ein wenig unter, dass mit dir nach 30 Jahren eine echte Trainerinstitution ihren Rückzug aus dem Amt angekündigt hat. Was waren die Gründe dafür?

Lutz:
Nach so einer langen Zeit langt es dann auch einfach mal. (lacht) Spaß beiseite, ich bin inzwischen im Vorruhestand und bin dadurch zum ersten Mal nicht mehr fremdbestimmt, sondern kann meine Zeit völlig frei planen. In der Vergangenheit hat der Fußball dann immer auch die Freizeitplanung stark beeinflusst, denn wenn ich einen Trainerjob mache, dann mit entsprechendem Einsatz. In Zukunft möchte ich diese Planung aber noch mehr mit meiner Frau gemeinsam machen - der Fußball rückt nun in den Hintergrund.

Wird man dich von nun an also vergeblich auf den Sportplätzen der Region suchen?

Lutz:
Nein, nein, keine Angst! Ich habe auf meinen Stationen so viele tolle Weggefährten und Menschen kennengelernt, da werde ich mit Sicherheit öfter mal am Sportplatz zu sehen sein! Egal ob bei meinem Heimatverein TSV Johannis 83, dem TB Johannis 88, in Kalchreuth, bei Falkenheim, dem Post SV oder zuletzt in Poppenreuth: Ich werde mich schon weiterhin blicken lassen und mir das gerne anschauen - nur eben nicht mehr von der Trainerbank aus. Es fällt somit einfach diese Unbedingtheit an einem Sonntag weg. In etwas weiterer Zukunft würde ich auch eine andere Funktion im Fußball nicht wirklich ausschließen, nur mit dem Trainerjob ist nach dieser Saison dann definitiv Schluss.

Auf seinen unterschiedlichen Stationen durfte Wolfang Lutz (Bildmitte) viele tolle Weggefährten kennenlernen. Nach seiner Trainerlaufbahn will er jene Kontakte weiter pflegen.
SGEF

Was wirst du nach heutigem Stand am meisten vermissen - und was wird dir umgekehrt ganz sicher nicht fehlen?

Lutz:
Ich werde mit Sicherheit die Arbeit und den Spaß mit den Jungs auf dem Trainingsplatz vermissen! Man selbst wird als Trainer ja immer älter, die Spieler aber bleiben letztlich immer gleich jung. Es hat mir immer großen Spaß gemacht, mit den unterschiedlichsten Charakteren zu arbeiten und sie voranzubringen. Was mir dagegen definitiv nicht fehlen wird, sind die ganzen Nebengeräusche: Es steht, natürlich immer auch abhängig von den Vereinen und ihrer Struktur, oftmals so viel mehr an, als nur die Trainerarbeit - das kann schon auch ganz schön kräftezehrend sein. Auch manche Vier-Augen-Gespräche mit Spielern, bei denen die Selbsteinschätzung weit von der Außenwahrnehmung abweicht, werde ich bestimmt nicht vermissen. (schmunzelt)

Du kannst als Trainer auf einen weiten Erfahrungshorizont zurückblicken. Was waren die größten Veränderungen, die du im Laufe der Jahre wahrgenommen hast?

Lutz:
Ich glaube, die größte Veränderung hatte aus meiner Sicht mit der Organisation zu tun. Während meinen Anfängen war man als Trainer für alle Senioren zuständig, da hat man dann das Training für 30, 40 Mann vorbereitet. Als dann um die Jahrtausendwende die 2. Mannschaften ebenfalls im Punktspielbetrieb antraten, gab es mehr Trainer und der Fokus richtete sich nur noch auf ein Team - das hat das Arbeiten dann natürlich erleichtert. Es hat aber alles seine Vor- und Nachteile: Viele Vereine leben ja vom Zusammenhalt und da war es dann auf der anderen Seite auch nicht schlecht, wenn man zusammen trainiert hat und eine bunt gemischte Kabine hatte. Ansonsten hat sich im Fußball natürlich schon in vielerlei Hinsicht einiges getan,  sei es im spieltaktischen, technischen, oder athletischen Bereich. Da kann man gar nicht alle Veränderungen aufzählen.

Was waren für dich die absoluten Highlights deiner Trainerzeit?

Lutz:
Das ist schwer zu beantworten, weil ich auf allen Stationen wirklich viele tolle Erinnerungen sammeln konnte. Ich würde sagen, ein Highlight außerhalb des Fußballplatzes war die Feier meines 40. Geburtstages, den meine Frau bei uns zuhause organisiert hatte: Es waren von all meinen Stationen viele alte Weggefährten und gute Freunde da und es war eine lange Nacht mit vielen tollen Gesprächen! Damals ging das noch, heute wäre ich nach so einer Feier wahrscheinlich eine Woche krank... (lacht) Ansonsten habe ich sehr viel erlebt und gerade auch beim Turnerbund 88 tolle Zeiten mitgemacht. Wenn ich mich für ein Highlight entscheiden müsste, wäre es letztendlich aber doch der 1. FC Kalchreuth, mit dem ich in drei verschiedenen Amtszeiten dreimal aufsteigen konnte - von der A-Klasse bis in die Bezirksliga! Gerade beim Bezirksliga-Aufstieg hatten wir eine junge und unheimlich tolle Truppe beisammen, an die ich mich immer gerne zurückerinnern werde!

Den 1. FC Kalchreuth dirigierte Wolfgang Lutz gleich dreimal zum Aufstieg. Die Erlebnisse auf der Alm blieben dem 60-jährigen Erfolgscoach deshalb auch in besonders guter Erinnerung.
Uwe Kellner

Was wäre für Dich das perfekte Ende Deiner Trainerlaufbahn?

Lutz:
Das wäre ganz klar der Klassenerhalt! Manche haben mich schon angesprochen, nach dem Motto: Mensch Wolfgang, mit einem Abstieg kannst du doch nicht aufhören! Eigentlich haben sie auch Recht, aber erstens habe ich die Entscheidung bereits vor ein paar Wochen getroffen und halte sie nach wie vor für richtig. Und zweitens bin ich nach wie vor fest von unserem Klassenerhalt überzeugt! Insofern habe ich es mir dann nach dieser anstrengenden Spielzeit auch verdient, zukünftig Spiele aus der reinen Freude am Spiel anzusehen, ohne groß über gewisse taktische Abläufe und dergleichen nachzudenken. Ich freue mich auf diese Zeit und darauf, viele bekannte Gesichter neben dem Spielfeld zu treffen!

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Leser-Kommentare

Steckbrief W. Lutz

Wolfgang Lutz
Alter
63
Wohnort
Fürth
Familie
verheiratet
Nation
Deutschland


Trainerstationen W. Lutz

17/18
BL
 
16/17
BL
 
15/16
KL
14/15
KL
 
10/11
KL
 
09/10
KK
01/02
TSV Joh. Nbg., U19
 
99/00
AK
96/97
TB Johannis 88
 
95/96
TB Johannis 88
 
94/95
TB Johannis 88
 
93/94
SV Wack. Nürnb.
 

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