Hallo Deniz, Ende 2017 hast du als Trainer beim SSV Elektra Hellas aufgehört. Wie geht's dir ohne Fußball?
Deniz Yavuz (47): Natürlich fehlt der Fußball, wenn man vom fünften Lebensjahr an gespielt hat. Ich hatte vielleicht nicht das ganz große Talent, aber die Leidenschaft war immer da, zumindest hat es mal bis in den Kader in der Regionalliga gereicht. Ich verfolge meine Vereine, mit denen ich zu tun hatte, auch nach all den Jahren immer noch ganz genau. Ich schaue mir gerne Spiele in der Gegend an, beobachte die Entwicklung von Mannschaften und Spielern. Wenn ich mich daran erinnere, dass man als gegnerischer Trainer einen Dickson Abiama in Manndeckung hat nehmen lassen - in der Kreisklasse, er jetzt in der Bundesliga spielt - das ist schon eine verrückte Geschichte!
Als Zuschauer kannst du es dir ja raussuchen: Wohin zieht es dich dann mehr - ins Stadion oder auf den Sportplatz?
Yavuz: Das ist ganz klar der Sportplatz! Ich schaue mir freilich Spiele der Champions League oder Bundesliga im Fernsehen an, aber wenn ich ehrlich bin, war ich das letzte Mal beim Club im Stadion, als der gegen Mainz gespielt hat - und da hat der Geisi (Anm. der Red.: Johannes Geis) noch bei den Mainzern gespielt. (lacht) Da schaue ich mir wirklich lieber guten Amateurfußball an, beispielsweise Eltersdorf oder Ansbach. Ich zahle gerne meinen Eintritt, esse meine Bratwürste und sehe das als Support für die Vereine. Man trifft viele Leute, die man kennt, hört die Neuigkeiten, was so los ist in der Szene.
So eine gewisse Verknüpfung von Amateurfußball und Ideen aus dem Profibereich hast du damals mit dem ISN-Cup von 2011 bis 2013 umgesetzt. Erklär uns noch einmal, wie die Idee entstanden ist!
Yavuz: Wir waren an einem Montagabend in der Soccerhalle kicken mit Kumpels. Und da habe ich mich umgeschaut: Alberto Mendez als Spanier, Oli Gorgiev als Mazedonier und noch einige mehr waren da dabei. Da habe ich dann gesagt, eigentlich könnten wir doch ne Weltmeisterschaft veranstalten, jeder holt noch ein paar Leute für sein Team dazu und wir spielen ein Turnier. So ging das dann los und dann ging das auch schnell voran. Es war extrem viel Arbeit, aber wir haben es geschafft, dass jede Nation ihren Team-Manager und Sponsor hatte.
Auslosung auf der Players Party zum ISN-Cup 2011: Der Startschuss in ein neues Turnierformat, das über drei Jahre große Aufmerksamkeit erlangen sollte.
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Im ersten Jahr 2011 fand das Turnier noch im Juni in Schwabach statt...
Yavuz: ...und wir hätten die Halle dreimal vollmachen können, so groß war die Nachfrage!
Anfang März 2012 war alles schon eine ganze Nummer größer bei der 2. Auflage am Berliner Platz.
Yavuz: Wir hatten einen Etat von 110.000 Euro und 70 Sponsoren! Ich habe meine Erfahrung und mein Netzwerk aus dem Eventbereich eingebracht. Das Umfeld hat gepasst. Es war ein großes Spektakel. Wir haben da schon einen großen Support erlebt.
ISN-Cup 2012: Ex-Club-Profi Sasa Ciric spielte für Mazedonien mit.
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Selbst Nürnbergs Oberbürgermeister Uli Maly erschien nicht nur mit Vorwort im Turnierheft, sondern war selbst in der Halle beim Integrationsturnier, das auch der BFV offiziell unterstützt hat.
Yavuz: Ludwig Beer, den ich da auch schon lange kannte, hat uns sehr unterstützt und dafür gesorgt, dass der BFV auch hinter dem Gedanken des Turniers stand. Der Oberbürgermeister war da, wir hatten die Aufmerksamkeit in den Medien. Sasa Ciric, die Club-Legende, hat für Mazedonien mitgekickt. Und Peter Althof hat sich persönlich um die Security gekümmert. Peter ist ein super Typ, für jeden Spaß zu haben! Er hat auch dafür gesorgt, dass man die 150 Fußballer in der Halle im Griff hatte.
Es war nicht nur Fußball, sondern auch einiges drumherum.
Yavuz: Der Funken war da, es haben alle mitgezogen. Da kann ich mich auch heute noch bei den vielen Leuten bedanken, die da mitgeholfen haben.
ISN-Cup 2012: Nürnbergs Oberbürgermeister Uli Maly mit Deniz Yavuz (im Hintergrund Peter Althof.
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Was war denn in der Rückschau die verrückteste Geschichte beim Turnier?
Yavuz: Da gab es schon einige. Eine Story hatte tatsächlich mit Peter Althof zu tun. Ein Spieler hat zu ihm gesagt: "Was willst du Opfer eigentlich von mir?" Und er hat erst dann realisiert, wer das überhaupt ist. Peter hat da gut und souverän reagiert, so dass es keinen Stress gab. Eine andere Geschichte war das Drama mit dem Kunstrasen beim ISN-Cup 2013. Der Rasenlieferant hatte den Termin falsch geplant, da war die Hölle los und wir mussten innerhalb von 48 Stunden einen Rasen organisieren.
Welche sportlichen Highlights blieben dir von den Turnieren in Erinnerung?
Yavuz: Besar Halimi, der seinen Weg dann im Profifußball gemacht hat, war schon außergewöhnlich gut. Ansonsten gab es zahlreiche packende Duelle: Albanien gegen die Türkei, die deutschen Spiele, Überraschungsmannschaften wie Rumänien - man hat da echt mitgefiebert, nicht speziell für ein Team, sondern bei allen Spielen. Da stockte einem echt der Atem: Es war ein tolles Tempo, die Spieler waren super motiviert, wir hatten ja auch Pressekonferenzen zu den Spielen, die Jungs haben alles gegeben für ihr Land.
Iran gegen Irak - beim ISN-Cup 2012 eine eher freundschaftliche Angelegenheit.
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Es gab ja auch auf dem Papier brisante Duelle wie Iran gegen Irak, die aber alle komplett friedlich verlaufen sind. Zehn Jahre später erleben wir aktuell einen Tiefpunkt im politischen Geschehen. Blutet dir da besonders das Herz, wenn man so ein Integrationsturnier selbst ausgerichtet hat?
Yavuz: Wir hatten alle möglichen Duelle: Serbien gegen Kosovo, USA gegen Russland - oder eben das Spiel von Irak gegen Iran - und wir hatten keinerlei Probleme. Im Gegenteil, die waren sich nach dem Spiel teilweise in den Armen gelegen. Die Jungs, die hier leben, haben eine gewisse Rivalität auf dem Platz gelebt, aber außerhalb gab es das nicht. Rassismus schon gleich gar nicht! Es war ein Riesenspaß, jeder wollte für sein Land gewinnen, aber es war nicht politisch. Politik ist schwer zu beschreiben. Fußball ist da anders. Letztlich sind wir alle Menschen, die hier miteinander zurechtkommen müssen.
ISN-Cup 2012: Auf Kunstrasen mit Rundumbande wurde in der Halle am Berliner Platz gespielt.
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Was ist in Erinnerung geblieben von den Jahren des ISN-Cup?
Yavuz: Im Wesentlichen sind es nur positive Erinnerungen nach all den Jahren, die ich damit verbinde. Egal an welchen Sportplatz ich hinkomme, es wird immer noch gerne darüber geredet. Ich war immer ein Freund des Amateurfußballs, war für verrückte Ideen immer zu haben. Ich habe später auch mal kurz die E-Jugend in Kornburg trainiert, weil Achim Kokott mich darum gebeten hatte. Kontakte sind auch über das Turnier hinaus geblieben.
Woran hat's gelegen, dass nach der 3. Auflage 2013 dann Schluss war?
Yavuz: Es gab im dritten Jahre feste Zusagen von Sponsoren, die dann aber doch nicht so eingehalten wurden. Ich bin am Ende fast 30.000 Euro hinterhergelaufen, hab vieles auf die eigene Kappe nehmen müssen. Ich will da auch nicht jammern, weil letztlich ist man als Veranstalter auch verantwortlich für die Planung und Abwicklung. Ich habe dabei aber gemerkt, dass das Event in dem Rahmen, den wir hatten, zu groß geworden ist. Wir hätten schon ein achtköpfiges Team gebraucht, das sich professionell um den Cup kümmert. Aber der Support war nicht in dem Umfang da, um es auch so groß - vielleicht sogar deutschlandweit - aufzuziehen. Mit Spaß und Hobby allein ließ sich das einfach nicht mehr stemmen.
Die Türkei gewann erneut den Nationencup 2012 in Nürnberg - die Stimmung war auch bei anderen Nationen prächtig.
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Gibt es denn nach all den Jahren ein mögliches Comeback des ISN-Cup?
Yavuz: Angesprochen darauf wurde ich von den Jungs, die da mitgespielt haben, schon oft. Ich habe die Türen offen gelassen. Aber alleine ist das so nicht mehr zu stemmen. Man kann sich das kaum vorstellen, was da an Arbeit in der Organisation drinsteckt, damit es am Ende für 180 Spieler und 2500 Zuschauer passt. Ich hätte sogar noch ein anderes Konzept gehabt, das den Vereinen einiges gebracht hätte...
Jetzt bin ich neugierig!
Yavuz: Ich wollte schon vor Jahren mal eine Art Champions League neben der Liga für die Amateure gründen. Das wäre etwas gewesen, darüber hätten die Vereine gut Einnahmen generieren können, aber da müsste auch der Verband mitspielen. Und ehrlich gesagt ist mir die Lust vergangenen, mich da aufzureiben.
Deniz Yavuz als Trainer und Motivator bei Dergahspor im Jahr 2014.
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Wenn schon der Veranstalter Deniz Yavuz nicht in den Amateurfußball zurückkehrt, dann vielleicht der Trainer?
Yavuz: Es gibt immer wieder mal Gespräche. Das Problem ist für mich, dass ich professionell arbeiten möchte, was im Amateurfußball in der Realität nur schwer umzusetzen ist. Nicht falsch verstehen: Mit geht es nicht um den Profifußball, sondern um ein professionelles Umfeld für die Amateure. Dass zum Beispiel ein Sportheim da ist, das funktioniert, dass die Betreuung stimmt, so dass ich als Trainer das einbringen kann, was mir liegt - nämlich der Umgang mit Menschen, das Motivieren der Spieler. Wenn das Umfeld nicht entsprechend ist, kann man sowas eben nur kurzfristig als Feuerwehrmann machen.
Welche Wünsche und Pläne bleiben noch im Fußball für dich?
Yavuz: Ich möchte jetzt wieder selber öfters kicken mit den Kumpels, das hat gerade in der Pandemiezeit schon gefehlt. Auch wenn der Körper dann an mehreren Stellen zwickt, brauche ich das - dazu ist die Verbindung nach wie vor zu stark!