Zwei Niederlagen hatten die Würzburger Kickers in den beiden vorherigen Spielen gegen 1860 München 2 zu Hause und den SV Schalding-Heining auswärts kassiert. Nach dem Gastspiel in Passau platzte Trainer Dieter Wirsching der Kragen – er nahm seine Jungs in den Einheiten der letzten Woche besonders hart ran. Die Wirkung verfehlte das nicht. Der zu Hause noch sieglose 1. FC Nürnberg 2 kam mit der Empfehlung von drei Auswärtssiegen an den Dallenberg. Wer zum Eingang ging, musste am Mannschaftsbus der Nürnberger vorbei. Darin saßen aber nur Spieler des U23-Teams. Akteure der ersten Garde hatte Club-Coach Roger Prinzen nicht dabei, denn die beorderte Chefcoach Michael Wiesinger zum Testspiel nach Wien.
Ricardo Borba (Würzburg, li.) stellt den ballführenden Tobias Pachonik (Nürnberg 2)
Jürgen Sterzbach
Anfangs Abtasten. Minutenlang passierte wenig im sonnengefluteten Stadion am Dallenberg, bis der Club in der Abwehr den Ball im Aufbauspiel leichtsinnig in die Füße des Gegners spielte. Die haarsträubende Vorlage von David Spies nahm Manuel Duhnke auf, legte an Tempo zu, ließ den gegnerischen Torhüter Benjamin Uphoff aussteigen und schob den Ball noch innerhalb der ersten Viertelstunde zum 1:0 ins leere Tor. Nürnberg bewegte sich viel und war in puncto Ballbesitz gleichwertig, was die Gäste allerdings in der Vorwärtsbewegung mit diesem anstellten oder eben nicht, ließ durchaus großen Raum für weiteres Üben übrig. Aufgrund der vielen Fehlpässe, mit denen seine Mannschaft den eigenen Spielaufbau nach der Mittellinie beendete, und der Ungenauigkeit der Flanken und Freistöße, die aus aussichtsreicher Position über die Gefahrenzone auf die andere Spielfeldseite flogen, geriet Roger Prinzen am Rand in Rage, gestikulierte wild in Richtung seiner Spieler. Die Gastgeber beanspruchten Spielvorteile und waren – angetrieben von einem allgegenwärtigen Ricardo Borba auf rechts – ganz dicht dran am zweiten Tor. Unter anderem brachten Pascal Bieler und Christopher Bieber dessen Flanke aus wenigen Metern nicht im Tor unter, dann schickte er Maksut Azizi gegen zwei verdutzte Gegenspieler den Ball durch die enge Gasse, nach der Hereingabe schoss Duhnke aber zu hoch. Fast ein wenig aus dem Nichts gelang den Gästen mit der ersten nennenswerten Aktion der Ausgleich, die der beim Rückstand noch wegen seines Fehlpasses gescholtene David Spies zum 1:1 nutzte. Als der 19-Jährige parallel zum 16-Metern-Raum marschierte, fühlte sich Würzburgs Abwehr nicht zum Einschreiten veranlasst. Der junge Deutsch-US-Amerikaner zog ab und erwischte Kickers-Keeper Daniel Tsiflidis – der Schuss wurde abgefälscht – beim 1:1 auf dem falschen Fuß. Die letzte Gelegenheit der ersten Halbzeit hatten noch einmal die Gäste, als Yannick Nonnweiler Zentimeter neben das gegnerische Gehäuse schoss, doch war der erste Durchgang nach Chancen klar zugunsten der Hausherren verlaufen.
Ricardo Borba (Würzburg, re.) setzt gegen Tobias Pachonik (Nürnberg 2) nach.
Jürgen Sterzbach
Der Beginn der zweiten Halbzeit überraschte – nicht zuletzt die bis dato überlegenen, aber direkt nach dem Seitenwechsel noch defensiv unsortierten Gastgeber. Denn als Nürnberg den Ball aus der eigenen Hälfte weit nach vorne schlug, leitete Roussel Ngankam einen Vorstoß über rechts ein, den Nonnweiler im Zentrum zum 2:1 verwandelte. Die Rothosen hatten Glück, dass Antonio Colak nicht wenige Minuten später ein weiteres Tor nachlegte, als er sich im Zweikampf durchgesetzt hatte, doch wenige Meter vor dem gegnerischen Torhüter keinen kraftvollen Abschluss mehr zustande brachte. Das Glück glich sich aus, als der Schiedsrichter den schon eingesetzten Würzburger Jubel unterbrach, da er einen vom Innenpfosten nach vorne abgeprallten Ball nicht hinter der Linie sah. Wie jene umstrittene Szene, so leitete Borba auch die darauf folgende ein, als er nach seinem Eindringen über links in den Strafraum nur durch ein Foul zu bremsen war. Den gegebenen Foulelfmeter verwandelte der 30-Jährige selbst zum 2:2. Nach dem erneuten Ausgleich boten beide Mannschaften die spannendste, da ausgeglichenste Phase der Partie, in der beide Seiten wieder hätten in Führung gehen können. Nonnweiler schoss nach einer Vorlage von Ngankam am langen Pfosten vorbei. Mitte der zweiten Halbzeit, nachdem Borbas Allgegenwärtigkeit mittels Auswechslung beendet war, zielte Marco Haller nach einer Vorarbeit des früheren Nürnbergs Pascal Bieler ans Außennetz. Als Bieber den Ball über Nürnbergs anfällige rechte Flanke in die Gefahrenzone hob, lud Benjamin Uphoff den Gegner mit einer „Goran-Curko-Gedächtnis-Patsche“ vor die Füße von Manuel Duhnke zum Tor ein, der das Leder mit einem strammen Schuss aus zwölf Metern zum 3:2 ins Netz bugsierte. Nürnberg versuchte in einer intensiven Schlussphase vieles, doch fing sich in der Nachspielzeit durch ein Dribbling des durchsetzungsstarken Frank Wirsching das entscheidende 4:2 ein.
Die zwei vorherigen Niederlagen sind bei den Würzburger Kickers ad acta gelegt. Zu Hause gegen den 1. FC Nürnberg 2 zeigten sie keine fehlerfreie, aber eine über weite Strecken überzeugende Leistung und entschieden den Vergleich verdient für sich. Es war der erste Würzburger Sieg über im dritten Duell beider Mannschaften. In der Tabelle orientieren sich die Rothosen wieder nach oben und erteilten dem Abrutschen an den Rand der Abstiegszone eine Absage. Bei den Gästen darf dagegen keine Zufriedenheit über das bisherige Abschneiden herrschen. Der Club präsentierte sich ohne Führung – ein Leader in der jungen Mannschaft war auf den Platz nicht zu sehen. Warum nicht die Chance genutzt wurde, an einem spielfreien Bundesliga-Wochenende den einen oder anderen Akteur der zweiten Reihe von oben mitnehmen und die U23 durch einen weiteren Auswärtssieg in ruhigeres Fahrwasser zu führen, bleibt das Geheimnis der am Valznerweiher derzeit Verantwortlichen.
Spielbericht eingestellt am 07.09.2013 22:32 Uhr