von Michael Kämmerer
„Das Schöne am Fußball ist: Man kann sich alle sieben Tage aufs Neue beweisen und sich aus dem Schlamm herausziehen.“ Mit der Erkenntnis von philosophischem Ausmaß brachte Abtswinds Trainer Thorsten Götzelmann die Lage seiner Mannschaft auf den Punkt. Der eindrucksvolle Sieg gegen Viktoria Kahl belegte, dass die vorangegangene 1:3-Niederlage in Schweinfurt nicht mehr in den Köpfen der Spieler steckte.
Keine Frage, Stürmer werden an Toren gemessen. Und davon hat Pascal Kamolz in dieser Spielzeit schon reichlich geschossen. 15 an der Zahl. Damit liegt der Abtswinder Premium-Angreifer im Landesliga-Tableau gegenwärtig an sechster Stelle. Am Samstag im Spiel gegen Viktoria Kahl ging der 29-Jährige leer aus. Kein weiterer Treffer war ihm vergönnt. Doch dieser Umstand focht Kamolz nicht an. Er verzeichnete Erfolge auf anderer Ebene und war damit nicht minder wertvoll für sein Team. Der einstige Bayernliga-Torschützenkönig war an vier der fünf Abtswinder Einschüsse unmittelbar beteiligt. Kurios: Drei Mal war er der Gefoulte im Strafraum und somit derjenige, der alle Elfmeter an diesem lieblich-sonnigen Samstag im März für Abtswind herausholte.
„Ich habe lange unter der Dusche gegrübelt. Das habe ich noch nie erlebt, dass ich in einem Spiel drei Strafstöße zugesprochen bekomme“, erzählte Kamolz, der es in besagten Szenen wechselweise mit den Kahlern Enrico Puglisi, Dennis Rung und Sergej Rieger zu tun hatte. Alle drei erwischten statt des Leders ein kamolzsches Körperteil. Mal war es das Ohr, mal die Hüfte, mal der Oberschenkel. Der Abtswinder, der neben seinen Mitspielern aufblühte wie eine Osterglocke zum Frühlingsanfang, war für seine Fänger einfach nicht zu fassen – zumindest nicht regelkonform. Vergessen war damit der träge Auftritt sieben Tage zuvor in Schweinfurt, der unter der Woche noch Trübsal ausgelöst hatte. „Sicherlich wäre ich heute noch glücklicher, wenn mir das ein oder andere Tor gelungen wäre“, sagte Kamolz, der sich jeden Sommer ein neues persönliches Saisonziel steckt, das doch immer gleich lautet: mindestens einmal mehr als im Vorjahr zu treffen. Würde bedeuten, dass er in den verbleibenden acht Begegnungen auf 26 Tore kommen müsste. „Warum nicht?“, gibt sich Kamolz zuversichtlich. „Der Aufstieg mit der Mannschaft ist natürlich noch einen Tick wichtiger.“
Wie wirkungslos dagegen ein Angreifer von Format bleiben kann, verdeutlichte Kahls Gökhan Aydin, der es diese Runde immerhin auf 17 Einschüsse gebracht hat. Bis auf einen verzweifelten Schuss aus der dritten Reihe, der ihm über den Schuh rutschte und weit sein Ziel verfehlte, blieb der Landesliga-Torschützenkönig des Vorjahres (26 Treffer, vor Kamolz mit 25) erschreckend unsichtbar. Doch die Zeiten in Kahl, unweit der Grenze zu Hessen, haben sich binnen weniger Monate rapide geändert. Vorbei ist die rauschende Spielzeit, als es das Team als Aufsteiger in die Relegation zur Bayernliga schaffte (und dabei Alemannia Haibach unterlag). Es herrscht Tristesse in der Peripherie Aschaffenburgs. Und die hat sich nach der verdienten, wenn auch zu deutlichen Schlappe in Abtswind noch ein Stück weiter verschlimmert.
Bange war den Abtswindern ja auch gewesen – nicht allein ob des unerwarteten Rückschlags im Aufstiegskampf, auch angesichts der nicht abreißenden Verletzungsserie. Die Schmerzen im Knie von Innenverteidiger Sven Gibfried im letzten Spiel stellten sich als derart gravierend heraus, dass der Recke aufgrund eines Meniskusanrisses diese Saison wohl kein Spiel mehr absolvieren wird. Auch bei Constantin Paunescu erwies sich eine langwierige Achillessehnenreizung als zu lästig, dass gegen Kahl ein Einsatz in Frage gekommen wäre. So ist es nichts Außergewöhnliches, dass Woche für Woche eine andere Abtswinder Formation den Rasen betritt. Die Harmonie im blind anmutenden Kombinationsverständnis mochten diese Widrigkeiten nicht beeinträchtigen. Die Truppe von Trainer Thorsten Götzelmann prägte die Begegnung von der ersten bis zur letzten Minute. Mit präzisen Pässen in die Schnittstellen der Kahler Abwehr, in der Mehrzahl von Jörg Otto und Tolga Arayici initiiert, setzte Abtswind Nadelstiche. Doch Abseits war fürs Erste die ungewollte Lieblingsstellung im Spiel der Gastgeber. Jörg Ottos Elfmeter-1:0 nach 20 Minuten ließ Abtswind zur Belohnung der Mühen zumindest nicht kopfscheu werden. Pascal Kamolz (freistehend vorbei), Tolga Arayici (Freistoß ans äußere Gestänge) und Jürgen Endres (volley knapp drüber) waren mit ihren vorzüglichen Möglichkeiten Vorboten weiterer Tore. Doch gemach. Eine Viertelstunde lang nach der Pause fehlte das, was das Abtswinder Spiel zuvor ausgemacht hatte. Kahl näherte sich, stand mit Dennis Rung und Steffen Fuchs zwei Mal in aussichtsreicher Position und vergab. Mit dem zweiten Strafstoß Jörg Ottos zum 2:0, in gleicher Manier halbhoch ins linke Eck und auf Handbreite zum Pfosten geschossen wie beim 1:0, war die Angelegenheit in vorgegebene Bahnen gelenkt (57.). Doch Abtswind hatte nicht genug, wollte sich rehabilitieren, ließ nicht locker. Mit einer perfekten Flanke brachte Pascal Kamolz Jonas Wirth in Stellung. Dessen Kopfball, frei von gegnerischer Bedrängnis, schlug zum 3:0 ein (67.). Spätestens jetzt wurde es vogelwild im Kahler Spiel. Mathias Brunsch durfte nach einer Arayici-Ecke einköpfen (78.), Przemyslaw Szuszkiewicz den letzten Elfmeter zum 5:0-Endstand verwandeln (82.).
„Wir laufen schon die ganze Runde hinter dem FC Sand her. Das ist nichts Neues“, stellte Thorsten Götzelmann anschließend fest. „Wir bauen aus der dritten Position ordentlich Druck nach vorne auf.“ Trotz des spielfreien Osterwochenendes wird der Trainer seiner Mannschaft keine Pause gönnen. Im Gegenteil: „Wir werden so hart und intensiv trainieren, dass es die Spieler noch einige Zeit in den Muskeln spüren werden.“
Spielbericht eingestellt am 06.04.2015 11:21 Uhr