Artikel vom 12.07.2024 12:30 Uhr
Über zwei Jahre liegt der letzte Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) schon wieder zurück. An jenen Tagen Ende Juni 2022 wurde nicht nur ein neuer Präsident gewählt, sondern auch die Spielordnung angepasst. Eine Änderung darin wurde durch den BFV auf kleiner Flamme gehalten, hat aber durchaus eine wesentliche Wirkung, was die Abstiegsregelung in den Ligen anbelangt.
Im §53 der BFV-Spielordnung steht geschrieben, dass der Auf- und Abstieg vor Beginn der Runde "festzulegen und amtlich zu veröffentlichen" ist. Vor dem Start in die vergangene Saison gab es hierzu speziell für den Kreis Nürnberg/Frankenhöhe einigen Diskussionsstoff hinter den Kulissen. Denn die Regelung, die der damalige Kreisspielleiter Thomas Raßbach aufgestellt hatte, wurden in der Zentrale in München zunächst einmal nicht genehmigt. Denn Raßbachs Plan, jeweils nur einen Abstiegsreleganten und darunter mehrere Festabsteiger zu ermitteln, stand im Widerspruch zum §55 Absatz 3 der Spielordnung. Dieser lautet: "Die Anzahl der direkt absteigenden Mannschaften soll in der Regel nicht höher als die Anzahl der Releganten dieser Liga sein." Im folgenden Absatz 4 gibt es dann die Einschränkung der Regelung: "In begründeten Ausnahmefällen kann von vorstehenden Regelungen nach Prüfung und Zustimmung des Verbands-Spielausschusses abgewichen werden."
Raßbach: "Keine Antwort auf meinen Antrag von vor einem Jahr!"
Raßbach zeigte sich im vergangenen Sommer durchaus überrascht über die Zurückweisung seitens des Verbandsspielausschuss, hatte es doch in all den Jahren vorher keine Beanstandungen gegeben. "Nach einem Gespräch hat man mir die Auf- und Abstiegsregelung dann zwar schon genehmigt, aber das wurde mir als eine Ausnahme erklärt. Ich habe daraufhin einen Antrag auf Streichung der §55 (3) und (4) in der Spielordnung gestellt. Darauf gab es bis heute noch keine Antwort, obwohl ich den Antrag Ende Juli 2023, also fast vor einem Jahr gestellt habe", sagt der ehemalige Kreisspielleiter und weiterhin amtierende Kreisvorsitzende auf Nachfrage.
Vor der vergangenen Saison hatte Kreisspielleiter Thomas Raßbach zu kämpfen, um die klassische Abstiegsregelung mit nur einem Releganten genehmigt zu bekommen.
fussballn.de / Oßwald
Doch was für die Saison 2023/24 als eine Ausnahme genehmigt wurde, muss für die kommende Saison noch lange nicht gelten. Andererseits überwiegt in den Profiligen in Deutschland nach wie vor die traditionelle Version mit maximal einem Releganten und mehreren Direktabsteigern - so wie es im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe weiterhin praktiziert wurde, wenngleich hierfür dies als Ausnahme und Abweichung zum §55 (3) genehmigt werden musste. Andererseits wurde von Bezirksliga bis Regionalliga in der vergangenen Saison der Abstieg gemäß dem §55 (3) geregelt.
Nachgefragt beim BFV: Woher kommt der §55 (3) in der Spielordnung und welche Gedanken stecken dahinter?
Der besagte §55 (3), der aktuell gilt, tauchte erstmals in der
„kompletten Neufassung der Spielordnung“, die auf dem Verbandstag 2022
verabschiedet wurde, auf. Die vorherige Version wurde außer Kraft gesetzt. Im Antragsheft des Verbandstages 2022 heißt es zur Neufassung der Spielordnung allgemein: „In den Fällen, in denen bei der Neufassung nicht nur eine Umstrukturierung des Paragrafen oder eine redaktionelle Anpassung erfolgt ist, sondern auch eine inhaltliche Änderung vorgenommen wurde, wird dies bei dem entsprechenden Paragrafen explizit begründet.“
Für den §55 (3) gab es eine solche Kennzeichnung indes nicht.
Auf die drei Fragen von fussballn.de beim Verbandsspielleiter Josef Janker antwortete die Abteilung Medien & Kommunikation des BFV wie folgt:
1. Wieso erfolgte beim §55 (3) SpO in der Neufassung
der Spielordnung weder eine Kennzeichnung noch eine Begründung? Falls dies auf
einem „Versehen“ beruhen sollte: Wieso wurde diese wesentliche Veränderung im
Spielbetrieb nicht anderweitig kommuniziert?
BFV: Der genannte Paragraph
wurde redaktionell angepasst. Die Anzahl der Relegationsteilnehmer wurde dabei
nicht als inhaltliche Änderung betrachtet und deshalb nicht ausführlich
begründet. Insgesamt gab es einige Änderungen in der Spielordnung. Bei der
Begründung hat man sich auf die wesentlichen Punkte konzentriert, ohne jede
einzelne Änderung detailliert zu erläutern. Dies hatte keinen besonderen Grund.
Die einzelnen Änderungen hat der Verbands-Spielausschuss vor dem Verbandstag
mit den Bezirks-Spielleiter besprochen.
2. In den Bundesliga gibt
es weiterhin nur einen Releganten, aber mehr Absteiger. In der
Vergangenheit war das auch in den Amateurligen der Fall. Welche
Begründung gibt es, dass es seit dem Beschluss vom Verbandstag 2022 nicht
mehr direkte Absteiger als Releganten geben soll?
BFV: Durch die gleiche Anzahl an Relegationsteilnehmern sowie Direktabsteigern
wird die Attraktivität und Spannung der Liga aus unserer Sicht gesteigert. Dies
belegen auch die Zuschauendenzahlen in den entsprechenden Ligen. Wenn es für
die beteiligten Mannschaften sportlich um nichts mehr geht, kommen
verständlicherweise weniger Zuschauerinnen und Zuschauer. Besonders bei den
Relegationsspielen ist das Interesse enorm. Sportlich betrachtet ist ein
offener Wettbewerb bis zum letzten Spieltag ebenfalls wichtig, um die Fairness
des Wettbewerbs zu gewährleisten.
3. Wie ist die
„Soll-Bestimmung“ des §55 (3) in der Praxis zu verstehen? Aktuell gibt es
noch Ausnahmen im Spielbetrieb. Werden diese auch weiterhin gelten oder
gibt es bewusst Ausnahmen für manche Spielklassen?
BFV: Die
Soll-Bestimmung ermöglicht zusätzliche Abstiege, wenn eine Liga in einem Jahr
mehr Mannschaften aufnehmen muss, als eigentlich vorgesehen ist. Beispielsweise
hat eine Liga mit 16 Mannschaften normalerweise zwei direkte Absteiger und zwei
Relegationsteilnehmer. Bei einer Liga mit 17 Mannschaften würde es dann drei
direkte Absteiger und zwei Relegationsteilnehmer geben. Unterhalb der Kreisliga
gibt es bewusst keine Vorgaben, da die Strukturen und die Anzahl der Ligen in
den einzelnen Spielklasseebenen unterschiedlich sind und nicht vereinheitlicht
werden können.
"Kein wesentlicher Punkt" - erst ab der Kreisliga greift der §55 (3)
Aus den Antworten des BFV lässt sich schließen, dass die Regelung nach §55 (3) offenbar in der Praxis nicht in jener Strenge zu sehen ist, wie es noch vor der vergangenen Saison auf Kreisebene zu Diskussionen (und einem Antrag auf Streichung) geführt hat. So wurde die Anzahl der Relegationsteilnehmer in der Neufassung der Spielordnung nicht näher begründet, da sie nicht zu den "wesentlichen Punkten" gezählt wird. Klar wird aus den Antworten aus der Verbandszentrale indes, dass die Kreise unterhalb der Kreisliga nicht an den §55 (3) gebunden sind. Für die Gestaltung der Auf- und Abstiegsregelung in der Saison 2024/25 muss demnach in der Kreisliga eine Neuerung her - oder erneut eine Ausnahme genehmigt werden.